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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Magdalenas Lippen. »Es wird Zeit für unser Experiment. Jeden Tag einen Becher. Und schön brav austrinken.«
    Gefesselt wie sie war, versuchte Magdalena den Kopf zurSeite zu drehen. Doch Jeremias hielt ihn wie einen Schraubstock fest. Der Becher kam näher und näher.
    »Ach, übrigens …« Silvios Mund war jetzt ganz nah an ihrem Ohr. »Ich hoffe doch sehr, dass Eure Visionen nicht nur düster und grausam sind. Ich habe gehört, dass Mutterkorn durchaus auch die Lust anregen kann. In diesem Fall lasst es mich wissen. Gerne würde ich den einen oder anderen Traum mit Euch teilen.«
    Der Becher hatte Magdalenas Mund erreicht.
    Schreiend wälzte sich Friedrich Lettner am Boden der Kirchenruine, während immer noch Hornissen über sein Gesicht und seinen Oberkörper krochen. Wie besessen schlug er um sich, zerquetschte Dutzende der Insekten zwischen seinen aufgeschwollenen Pranken, doch immer wieder kamen neue.
    Jakob Kuisl hatte währenddessen hinter dem Altar Schutz gesucht, um die zornigen Tiere nicht auf sich aufmerksam zu machen. Gelehnt an den großen Steinklotz schob er vorsichtig den Kopf über den Rand hinaus und beobachtete von dort Philipp Lettner, der dem summenden Angriff auf seinen Bruder bislang fassungslos zugesehen hatte. Jetzt erst rannte der Floßmeister auf Friedrich zu und versuchte ihn am Hemdkragen von den Hornissen wegzuziehen, dabei wurde er selbst etliche Male gestochen.
    »Verflucht sollst du sein, Kuisl!«, schrie Philipp Lettner und fuchtelte mit dem Katzbalger in der Luft herum, als würde er gegen unsichtbare Gespenster kämpfen. »Du und deine ganze Sippe! Auf ewig verflucht!«
    Jakob Kuisl wusste, dass er jetzt nicht mehr länger zögern durfte. Mit erhobenem Säbel rannte er auf seinen Gegner zu, der immer noch damit beschäftigt war, die ihn umkreisenden Hornissen zu vertreiben und gleichzeitigseinem Bruder zu helfen. Der Floßmeister warf Kuisl einen irritierten Seitenblick zu, dann ließ er von Friedrich ab und stellte sich knurrend dem Kampf. Eine schwarzgelbe Wolke von Hornissen schwebte über seinem Kopf und behinderte seine Sicht.
    »Du verdammter Hurensohn!«, zischte Lettner und verscheuchte mit der linken Hand ein paar der wütend summenden Insekten. »Dafür, Jakob, schlitz ich dir den Bauch auf und häng deine Eingeweide vom Kirchturm herunter.«
    »Spar dir dein Gerede und kämpf lieber.«
    Ohne ein weiteres Wort warf sich Jakob Kuisl seinem Feind entgegen. Er spürte, wie ihn einige der Hornissen in die Arme, ins Gesicht und in den Rücken stachen. Doch der Schmerz wurde vom Fieber und vom Kampfrausch überlagert. Entsetzt bemerkte der Henker, dass er beim Klang der aufeinandertreffenden Klingen fast so etwas wie Lust empfand.
    Wie früher … Der Geruch von Blut, das Schreien der Sterbenden. Es ist wie ein Nebel, der einen plötzlich umfängt. Nur viel klarer …
    Ganz deutlich erblickte er Philipp Lettner jetzt vor sich, aber die Bewegungen des ehemaligen Söldners schienen seltsam verlangsamt. Jakob Kuisl holte mit dem Säbel aus und drosch auf seinen Gegner ein, der mehr und mehr zurückwich. Zum ersten Mal sah der Henker Angst in den Augen des anderen. Schließlich stand Lettner mit dem Rücken zur Wand, Katzbalger und Säbel verkeilten sich in Brusthöhe, die Gesichter der beiden waren nur noch Zentimeter voneinander entfernt.
    »Der Brief im Bischofshof«, keuchte Jakob Kuisl. »Was sollte dieser eine Satz? Hast du wirklich geglaubt, dass ich dir diesen Schmarren abkaufe?«
    PhilippLettners Augen leuchteten plötzlich auf, noch einmal zeigte er sein wölfisches Lächeln.
    »Die Wahrheit ist’s, so wahr ich hier stehe!« Ächzend schob der Floßmeister Kuisls Säbelklinge eine Handbreit von sich weg. »Ich musste nur ein wenig rechnen. Von dem Venezianer wusste ich, wie alt deine Tochter ist. Vierundzwanzig Jahre! Im Spätherbst zuvor waren wir hier in Weidenfeld. Deine Anna hat damals geschrien, aber glaub mir, Jakob, es waren Schreie der Lust.«
    »Drecksau, du lügst!« Zorn übermannte Jakob Kuisl wie ein ätzendes Gift. Wieder und wieder tauchte vor seinen Augen die Zeile in dem Brief auf, den ihm Philipp Lettner erst letzte Nacht im Bischofshof zugesteckt hatte; die eine Zeile, die mehr schmerzte als sämtliche Torturen in der Regensburger Fragstatt.
    Küss meine Tochter Magdalena von mir … Ihre Mutter hat geschmeckt wie eine süße, reife Zwetschge …
    » DRECKSAU !«
    Jakob Kuisl stieß Lettner von sich weg, so dass dieser überrascht aufschrie

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