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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Knochen waren durch dünne Drähte miteinander verbunden und zusätzlich an der hinteren Seite des Glassargs aufgehängt. Auf dem Kopf des Heiligen saß ein trockener Lorbeerkranz, der ihm mittlerweile schief über die Stirn gerutscht war. Zwischen den knochigen Fingern seiner rechten Hand hielt Felicianus ein verrostetes Schwert.
    »Schwert und Lorbeerkranz«, flüsterte Simon. »Zeichen des Martertods und des Sieges.«
    Benedikta hatte in der Zwischenzeit angefangen, die Knochen zu untersuchen. Mit dem Zeigefinger stocherte sie in den Augenhöhlen und untersuchte das Innere des Schädels.
    »Irgendwo hier muss doch eine Botschaft versteckt sein«, murmelte sie. »Ein Papier, eine Notiz. Verdammt, Simon, helft mir doch suchen! Wir haben nicht ewig …«
    Plötzlich war ein Klappern hinter ihnen zu hören. Simon drehte sich um, konnte aber in der dunklen Kirche nichts weiter erkennen. Schatten waberten zwischen den Säulen, die von den flackernden Kerzen auf einem Marienaltar beleuchtet wurden.
    »Habt Ihr das auch gehört?«, fragte Simon.
    Benedikta untersuchte in der Zwischenzeit den leicht verschimmelten Brustkorb. »Eine Ratte, ein Windstoß, was weiß ich! Jetzt helft mir endlich!«
    Noch einmal ließ Simon den Blick über das Hauptschiff der Kirche schweifen. Die Säulen, der Marienaltar, die flackernden Kerzen …
    Der Medicus zuckte zusammen.
    Flackernde Kerzen...?
    Die Flammen waren die ganze Zeit über ruhig gewesen. Wenn sie jetzt flackerten, dann …
    »Simon, Simon! Ich habe es gefunden! Ich habe die Botschaft gefunden! Seht doch!«
    Benediktas Schrei riss ihn abrupt aus seinen Gedanken. Ihre Augen strahlten, sie deutete auf das Schwert. Mit einem Messer hatte sie einen Teil des Rosts von der Klinge entfernt.
    »Es war unter dem Rost!«, rief sie. »Ihr hattet recht!«
    Simon trat näher und beugte sich über das Schwert. Unter dem Rost der Klinge tauchte eine eingravierte Inschrift auf. Bislang konnte er nur einige wenige Worte lesen.
    Heredium in …
    Eilig machte er sich daran, mit seinem Stilett auch den Rest der Schrift freizukratzen. Buchstabe für Buchstabe. Wort für Wort.
    Heredium in baptistae …
    Schon während des Kratzens übersetzte Simon flüsternd den lateinischen Vers.
    »Das Erbe in des Täufers ... «
    Weiter kam er nicht, denn im gleichen Moment brach um sie herum die Hölle los.
     
    Zur gleichen Zeit klopfte es bei Jakob Kuisl leise an der Tür. Es war ein Bote von Bürgermeister Karl Semer, sein persönlicher Schreiber, der nun mit blassem Gesicht und schlotternden Knien draußen in der eiskalten Nacht stand.
    Das Zittern war nicht nur auf die Kälte zurückzuführen. Der Bote schlug ein Kreuz, als er das Haus des Henkers betrat, den von Kuisl angebotenen Wein lehnte er ab. Nervös blickte er auf das Richtschwert, das über dem Herrgottswinkelin der Ecke hing. Es brachte sicher Unglück, wenn man so kurz vor einer Hinrichtung das Haus des Henkers aufsuchte! Noch dazu in einer Nacht, in der die Wölfe um die Stadt strichen und die Kälte einem den Rotz in der Nase gefrieren ließ. Doch was half’s? Der Schreiber hatte Befehl, dem Henker noch in dieser Nacht Meldung zu machen. Bürgermeister Karl Semer war von seiner Handelsreise zurückgekehrt, nun hielt er sein Versprechen und lieferte Jakob Kuisl die so lange ersehnten Informationen.
    »Und, was habt Ihr herausgefunden?«, fragte Kuisl und saugte an seiner kalten Stielpfeife. »Kannst auch gern zum Fenster reinsprechen oder dir die Augen verbinden, wenn’s dir dann leichter fällt.«
    Der Bote schüttelte beschämt den Kopf.
    »Also, spuck’s schon aus!«
    In hastigen Sätzen und mit gesenktem Blick berichtete der Schreiber, was Bürgermeister Semer auf seiner Reise erfahren hatte. Jakob Kuisl stopfte derweil seine Pfeife, entzündete sie am Ofenfeuer und blies Wolken zur Decke, dass dem Boten angst und bange wurde. Ein befriedigtes Grinsen zog sich über das Gesicht des Henkers.
    Er hatte recht gehabt.
     
    Simon wusste nicht, wo er zuerst hinsehen sollte. Mit einem gewaltigen Scheppern, das durch die ganze Kirche dröhnte, fiel die hohe Marienstatue am Rand der Apsis zur Seite und zerbarst in Hunderte Einzelteile. Gleichzeitig tönten Schreie aus dem rechten Seitenflügel. Der Medicus erkannte einen schwarzgewandeten, sehnigen Mönch, der mit gezücktem Dolch durch die Luft wirbelte. Der Fuß des Mönchs traf den Kopf eines weiteren Mannes, der krachend zwischen die Kirchenbänke stürzte. Von irgendwoher erklang ein

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