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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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für sein Töchterlein wäre, jetzt, wo er doch schon bald in die Fußstapfen seines Vaters treten und sicherlich ein reicher und angesehener Arzt werden würde. In seinen in Augsburg geschneiderten Röcken und mit dem perfekt geschnittenen Knebelbart machte der Medicus durchaus etwas her, und über seine geringe Körpergröße und die niedere Herkunft konnte man ja großzügig hinwegsehen …
    Simon saß in einer der hinteren Reihen der Altenstadter Basilika und blickte über die Schultern der Ratsherren und ihrer Familien, die vor ihm Platz genommen hatten. Auch die Schreevogls und die wieder genesene Clara waren darunter. Unweit von ihnen thronte das große Holzkreuz, das über dem Altar von der Decke hing. Seit Urzeiten schon sah der Große Gott von Altenstadt milde auf die Kirchgänger hinunter. Der Medicus fiel ein in den gewaltigen Choral der Gläubigen und genoss es, wie seine Stimme sich beim Vaterunser mit den anderen zu einer einzigen großen Stimme verband.
    Seit seinem Erlebnis bei Clara vor gut zwei Wochen hatte Simons Verhältnis zu Gott sich geändert. War es ein Wunder gewesen, dem er hatte beiwohnen dürfen? Oder hatten tatsächlich die Pillen bewirkt, dass Clara und auch die anderen wieder vollständig genesen waren? Bis heute wusste der Medicus jedenfalls nicht, warum die verschimmelten Kräuter gewirkt hatten. Der Schongauer Henker hatte ihm erzählt, dass Schimmel Entzündungen hemmen konnte. Gelegentlich legte Jakob Kuisl deshalb schimmlige Lappen auf die Wunden seiner Patienten, aber dass die weißen Fäden gegen Fieber und Auswurf halfen, war auch dem Henker neu.
    Die Wunderpillen waren mittlerweile aufgebraucht. Seitdem löcherte Simon Magdalena mit Fragen, welche Kräuter genau in dem Beutel gewesen waren, den sie aus der Augsburger Apotheke mitgenommen hatte. Doch die Henkerstochter konnte es beim besten Willen nicht mehr sagen.
    Simon seufzte. Vermutlich würde es ihm nie wieder gelingen, solche Pillen herzustellen. Nun, wenigstens war auf diese Weise sein Ansehen in Schongau und auch bei seinem Vater merklich gestiegen. Bonifaz Fronwieser saß neben ihm und murmelte mit krächzender Stimme das Paternoster. Er roch noch nach dem Branntwein vom gestrigen Abend, aber immerhin war er mit Simon gemeinsam in die Kirche gegangen, etwas, das sie schon sehr lange nicht mehr getan hatten.
    Simon sah aus den Augenwinkeln nach rechts, wo Magdalena bei den Frauen in der hintersten Kirchenbank kniete. Die Henkerstochter hatte die Hände gefaltet und die Augen geschlossen. Als hätte sie seinen Blick gespürt, wendete sie sich plötzlich zur Seite und zwinkerte ihm zu. Sofort fuhr ein Kribbeln durch den Bauch des Medicus. Vielleicht würde sich ja heute auf dem abendlichen Lichtmess-Fest die Gelegenheit ergeben, mit Magdalena ein wenig allein zu sein …
    »Pass bloß auf, dass dir nicht die Augen ins Gotteslob fallen«, brummte eine dunkle Stimme neben ihm. »Wenn ich dich heut Nacht mit der Magdalena erwisch, hilft dir auch ein Vaterunser nichts.«
    Grinsend schob sich der Henker neben ihm in die Kirchenbank. Üblicherweise war sein Platz ganz hinten in der Kirche, doch heute an Lichtmess sah der Pfarrer offenbar nicht so genau hin.
    »Wann wirst denn deine Wallfahrt antreten?«, fragte der Henker so laut, dass sich einige Bürger nach ihm umdrehten. »Wennst bis zum Sommer wartest, ist’s barfuß eher ein Spaziergang. Ich glaub, der Herrgott will dich schon ein bisserl leiden sehen.«
    Zum wiederholten Mal verfluchte sich Simon, dass er dem Henker von seinem Versprechen damals an Claras Krankenbett erzählt hatte. »Es gibt noch zu viel zu tun hier«, flüsterte er. »Meine Patienten … «
    »Um die kann sich dein Vater kümmern«, unterbrach ihn der Henker. »Ich hab dem Lechner schon erzählt, dass du die kommenden Wochen unterwegs bist.«
    »Ihr habt was … ? « Simon wurde jetzt so laut, dass sich sogar der Pfarrer vorne am Altar räusperte. »Aber …«
    »Die Magdalena hat das auch nicht gut gefunden«, seufzte Jakob Kuisl und senkte seine Stimme wieder. »Sie traut dir immer noch nicht über den Weg. Also hab ich ihr versprechen müssen, dass sie dich nach Altötting begleiten darf. Ihr reist über München, dort besorgt ihr mir ein paar Kräuter und einige Bücher. Dieser Athanasius Kircher hat ein neues Werk verfasst. Über die Pest und wie man sie besiegen kann ... « Ein Grinsen zog sich wie eine Narbe über das Gesicht des Henkers. »Wenn du nicht schön artig bist in den nächsten

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