Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
weiter wichtig. Wichtig ist nur, dass Eure Tochter geheilt wird. Kein Templerschatz kann sie wieder gesund machen. Und so wie es aussieht, auch ich nicht. Das kann nur Gott.«
»Gott!« Der Patrizier schloss die Augen. »Ihr redet wie meine Frau! Immer verlassen wir uns auf Gott, und dann lässt Gott uns im Stich! Gibt es nicht irgendein Mittel, irgendeine bislang unerprobte Arznei, die meine Clara retten könnte?«
»Ich kenne keine.« Simon stand auf. »Das Jesuitenpulver könnte vielleicht helfen. Aber davon hab ich nichts mehr, und der venezianische Händler kommt nicht vor April über die Pässe. Vielleicht dass es in Augsburg noch etwas ... « Er stockte, als ihm plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schoss.
Jesuitenpulver …
Hatte der Henker nicht erzählt, Magdalena wäre nach Augsburg geschickt worden, um Kräuter und Arzneien zu kaufen? Wie hatte er das nur vergessen können! Vielleicht waren darunter auch einige Ingredienzien, die ihm jetzt helfen konnten!
»Entschuldigt mich«, sagte Simon und stand von ClarasKrankenbett auf. »Aber ich muss etwas nachprüfen. Vielleicht gibt es doch noch ein Mittel, das Eurer Tochter helfen kann.«
Jakob Schreevogl sah ihn hoffnungsvoll an. »Dann lauft! Jeder Augenblick ist kostbar.«
Simon rannte zurück auf den Marktplatz und traf dort auf die verdutzte Magdalena, die nach ihrer Zusammenkunft bei Johann Lechner noch dem Schmied einen Besuch abgestattet hatte. Die mürrische Wally brauchte nach den Ausflügen mit Simon dringend neue Hufeisen.
»Magdalena«, keuchte er. »Die Arzneien, die du in Augsburg besorgen solltest. Hast du sie noch?«
Die Henkerstochter sah ihn erstaunt an. »Schon. Ich hab sie sogar bei mir, aber ...«
»Dann lass uns schnell zu mir nach Hause gehen«, rief Simon und wandte sich bereits ab. »Ich will mir ansehen, ob etwas dabei ist, was vielleicht gegen das Fieber helfen könnte.«
»Simon, warte, ich ...«
Doch der Medicus war schon in die Weingasse gelaufen, auf das Haus seines Vaters zu. Clara brauchte Hilfe, sofort! Jede Verzögerung konnte ihren Tod bedeuten! Es war, als ob seine Unfähigkeit, die Menschen von dem Fieber zu heilen, sein schlechtes Gewissen, weil er in den letzten Tagen nicht geholfen hatte, sich urplötzlich in diesem einen kleinen Menschen bündelte. Wenn er bei Clara versagte, das spürte er, dann würde er nie mehr ein Arzt sein können, der diese Bezeichnung verdiente. Er würde sein wie …
Sein Vater?
Bonifaz Fronwieser riss die Haustür auf, noch bevor Simon sie öffnen konnte.
»Ach, ist der Herr Sohn auch mal wieder im Lande?«, schnarrte er. »Die Menschen sterben mir weg wie die Fliegen, aber du musst ja mit schönen Damen durch die Welt ziehen und die Klöster der Gegend bewundern.«
Simon machte den Mund auf, doch sein Vater ließ sich in seinem Monolog nicht unterbrechen. »Lüg mich nicht an! So was spricht sich schnell rum in einer Stadt wie Schongau. Zuerst diese liederliche Henkersdirn und dann auch noch ein dahergelaufenes Flittchen aus Landsberg. Schande bringst du über mich und den Namen Fronwieser!«
Hinter Simon tauchte nun keuchend Magdalena auf. »Simon, ich muss dir etwas sagen ... «, flüsterte sie, doch sofort begann Bonifaz Fronwieser wieder zu schimpfen. »Da ist sie ja! Kaum spricht man vom Teufel, schon steht er vor einem! Lass die Finger von meinem Sohn, verstehst du? Auf der Stell! Wir sind anständige Leut, wir haben mit euch Henkersgesindel nichts zum Schaffen!«
»Ach du, halt endlich dein gottverdammtes Schandmaul«, schrie Simon plötzlich. »Ich kann dein Gekeife nicht mehr länger ertragen, du Quacksalber!«
Im gleichen Moment erschrak er vor seinen eigenen Worten. Er war eindeutig zu weit gegangen! Auch Bonifaz Fronwieser zuckte zusammen. Die Kinnlade fiel ihm herunter, sein Gesicht verlor alle Farbe; in den umliegenden Häusern sah Simon den einen oder anderen Bürger neugierig hinter den Fensterläden stehen und zu ihnen herunterstarren. Schließlich straffte sich der hagere Alte, knöpfte schweigend seinen Rock zu und tappte davon Richtung Marktplatz.
Simon wusste, dass sein Vater vermutlich eines der dortigen Gasthäuser ansteuern würde, um seinen Groll auf den missratenen Sohn mit einigen Humpen Bier hinunterzuspülen. Kopfschüttelnd betrat der junge Medicus das Fronwieser-Haus. Nie würde er seinem Vater genügen können! Nicht als Sohn, und schon gar nicht als Arzt! Aber das war jetzt unwichtig. Er musste Clara helfen, das war alles, was
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