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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Mal die Theorien umstrittener Wissenschaftler durch seinen Kopf. Zurzeit las Simon mal wieder das Werk eines Engländers namens William Harvey, der sich mit dem Zirkulieren des Blutes im menschlichen Körper auseinandersetzte. Könnte es vielleicht sogar sein, dass das Blut aus winzigen Tierchen bestand...?
    »Was träumst du herum, Nichtsnutz!«, drang sein Vater mit schnarrender Stimme in seine Träume ein. »Hier! Lass den Steringer Johannes noch zur Ader! Ich werde mich jetzt zum Ratsherrn begeben. Aderlassen, das wirst du wohl noch alleine können!«
    Er reichte Simon das spitze kleine Stilett, mit dem die Vene des Patienten angeritzt wurde. Dann machte er sich nach kurzen Genesungswünschen auf den Weg. »Und lass dich nicht mit ein paar Eiern und einem Laib Brot abspeisen«, zischte er Simon noch im Vorübergehen zu.
    Simon sah auf den Steringer Johannes hinab, der hustend und zitternd vor ihm auf der Bank saß und gerade wieder rötlich-gelben Auswurf in sein löchriges Tuch spuckte. Erkannte den Schmiedgesellen von einigen Hausbesuchen her, ein kräftiger, lauter Mann, der jetzt zusammengesunken, zu keiner Regung fähig, vor sich hin stierte. Die Vorstellung, diesem kranken, geschwächten Körper auch noch Blut abzuzapfen, kam Simon komplett töricht vor. Er wusste, dass der Aderlass als probates Mittel gegen fast alle Leiden galt, trotzdem legte er das Stilett zur Seite.
    »Es ist gut, Steringer«, sagte er. »Du kannst jetzt heimgehen. Lass dir von deiner Frau einen Sud aus Salbei brauen und leg dich neben den Ofen, bis es besser wird.«
    »Und der Aderlass?«, keuchte der Geselle.
    »Den machen wir ein andermal. Jetzt brauchst du dein Blut. Geh heim.«
    Steringer nickte und machte sich auf den Heimweg, ebenso wie die zwei Bauern, denen Simon jeweils einen Tiegel mit Quendelsalbe mitgab. Als Lohn steckten sie dem jungen Medicus ein paar fleckige Münzen und eine halbe geräucherte Schinkenkeule zu. Er bedankte sich und schloss hinter ihnen die Tür ab.
    Simon atmete auf. Endlich hatte er Zeit, sich wieder dem kleinen Buch zu widmen, das ihm der Patrizier mitgegeben hatte. Gespannt setzte er sich auf die Bank direkt neben dem Ofen und schlug die vergilbten Seiten auf.
    Vieles erfuhr er über den Aufstieg und Niedergang der Templer. Er las, dass sie selbst dem Papst Geld geliehen hatten. Er erfuhr, dass sie im Kampf nahezu unschlagbar gewesen waren. Eine verschworene Gemeinde mit merkwürdigen Riten und Bräuchen, die sich für Gott in die Schlacht gestürzt hatten, geachtet selbst von ihren Feinden für ihre Tapferkeit. Er las von den großen Kämpfen im Gelobten Land, vom Untergang Jerusalems, von der Flucht der Templer nach Zypern und ihrer weiterhin bestehenden Macht in Europa. Staunend nahm er zur Kenntnis, dass der Ritterorden am Ende über zehntausend Burgen und Komtureien besessen hatte, von England bis Byzanz! Hatte es auch hierin Schongau eine solche Komturei gegeben? Wer war der Templer gewesen, dessen Knochen sie unter der Lorenzkirche gefunden hatten? Hatte er mit der Marmorplatte eine Botschaft hinterlassen?
    Zwei Zeugen, die weissagen... Ein Tier, das aus dem Abgrund heraufsteigt, sie bekämpft, besiegt und tötet …
    Doch selbst nach ausgiebiger Lektüre konnte Simon den merkwürdigen Spruch, der auf der Marmorplatte im Sarg eingraviert gewesen war, nicht finden. Auch von dem sagenumwobenen Schatz der Templer war in dem Buch nicht die Rede. Hatte er vielleicht doch nie existiert? Müde rieb sich Simon die Augen und begab sich zu Bett. Der Wind pfiff weiter durch die Fensterläden, während sich in seiner Kammer langsam eine dünne Eisschicht auf die Bettpfosten legte.

3
     
    M agdalena klopfte an die Tür des Zimmermanns Balthasar Hemerle und lauschte auf die Schritte im Inneren des Hauses. Es war früh am Morgen. Schon gestern hatte sie den Maurern und dem Altenstadter Steinmetz Besuche abgestattet. Die Männer hatten sie zunächst misstrauisch angeschaut, keiner mochte es gerne, wenn die Tochter des Henkers vor der eigenen Haustür stand; gut möglich, dass am nächsten Tag das Vieh krank war. Als sie erklärte, dass es ihr um den toten Altenstadter Pfarrer und die Bauarbeiten in der Lorenzkirche ging, wurde sie nur widerwillig eingelassen, oft unter den misstrauischen Blicken der Ehefrau. Magdalena war eben nicht nur die Henkerstochter, sondern mit ihrem üppigen schwarzen Haar, den buschigen Augenbrauen und den vollen Lippen eine attraktive Erscheinung, die durchaus Begehrlichkeiten

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