Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
wecken konnte. Sie wusste nur zu gut, dass die Männer sie hinter ihrem Rücken anstarrten. Zum Tanz aufgefordert hatte sie von den jungen Burschen allerdings noch keiner. Keiner außer Simon.
Die Gespräche des gestrigen Abends hatten nichts Neues ergeben. Alle Handwerker berichteten übereinstimmend vom Fund der Krypta und dass nur der Pfarrer selbst hinuntergegangen sei. Bleich sei er wieder hinausgekommen, habe den Eingang mit Weihrauch ausgeräuchert und auf der Stelle schließen lassen. Auch die merkwürdigen Kreuze an den Wänden der Galerie erwähnten sie, aber keiner von ihnen wolltedavon einem Fremden erzählt haben. Der Besuch beim Zimmermann war nun Magdalenas letzter Versuch. Sie ließ sich von Balthasar Hemerle in die Stube führen. Der Handwerker aus Altenstadt war ein gutmütiger Bär von einem Mann mit zottigem Vollbart und einem von Pockennarben entstellten Gesicht, in dem zwei freundliche Augen leuchteten. Im Gegensatz zu vielen anderen Männern im Ort hatte er sich nie darum geschert, dass Magdalena nur eine ehrlose Henkerstochter war. Im Gegenteil, auf der letzten Kirchweih hatte er ihr zugelächelt und sogar schelmisch seinen großen Zimmermannshut vor ihr gezogen. Magdalena wusste aber, dass er vielen Mädchen schöne Augen machte. Von seiner Frau hatte er deshalb schon die eine oder andere Abreibung bekommen. Glücklicherweise war Katharina Hemerle gerade auf dem Markt in Schongau.
»Na, Blutdirn, was willst von mir?«, fragte Hemerle grinsend und schob ihr am Tisch einen Humpen heißen Gewürzwein zu. »Braucht die Stadt einen neuen Galgen? Der alte sieht schon arg morsch aus, meinst nicht? Meine Wette, beim nächsten Hängen bricht er durch, und dein Vater schaut blöd aus der Wäsch.«
Magdalena schüttelte lächelnd den Kopf und nippte an dem belebenden Getränk. Nach einem tiefen Schluck erzählte sie schließlich von ihrem Anliegen. Balthasar Hemerle sah sie daraufhin lange nachdenklich an.
»Hat das was damit zu tun, dass der fette Koppmeyer vergiftet worden sein soll?«
Magdalena zuckte mit den Schultern. »Das wollen wir eben herausfinden.«
Hemerle nickte. »Ich weiß zwar nicht, was du damit zu schaffen hast«, begann er. »Aber es ist wahr. Keiner von uns ist in die Krypta runter. Und die Kreuze haben die Maler brav überpinselt.«
»Habt ihr mit irgendwem darüber gesprochen?«, fragte Magdalena und schlürfte weiter an ihrem Gewürzwein. Siespürte, wie die Wärme in ihr hochstieg. Sie durfte auf keinen Fall den ganzen Humpen leeren, sonst schaffte sie es nicht mehr nach Hause.
»Mit wem sollen wir schon groß gesprochen haben?«, sagte Hemerle. »Wobei ... « Er hielt inne. »Beim Strasser-Wirt hier in Altenstadt, am Stammtisch, da haben wir uns letzten Sonntag nach dem Kirchgang noch einmal darüber unterhalten. Weil der Pfarrer bei seiner Predigt gar so fahrig gewesen ist. Und da waren tatsächlich ein paar in der Wirtsstube, die wir nicht kannten ...«
»Wer?« Magdalena spürte, wie ihr Herz schneller ging, und das lag nicht nur am starken Wein.
»Fremde halt«, knurrte Hemerle. »Hab nicht so genau hingesehen. Saßen am Nachbartisch, mit schwarzen Kutten wie Mönche. Nicht einmal ihre Kapuzen haben sie abgenommen. «
»Sonst ist dir nichts aufgefallen?«
Die Stirn des Zimmermanns legte sich in Falten, schließlich schien er sich an etwas zu erinnern.
»Da war ein Geruch in der Luft, so wie von einem teuren Parfum«, sagte er. »Und draußen vor der Tür standen drei schwarze Rappen. Nicht so eine Mähre wie die von deinem Vater, sondern große, pechschwarze Pferde. Haben einem richtig Angst gemacht...« Er schüttelte den Kopf und lachte.
»Aber was soll’s! Lass uns lieber von was anderem reden.« Er grinste anzüglich. »Ich hab mir ein neues Bett aus Fichtenholz gezimmert. Drüben in der Kammer steht’s, schön groß und warm. Magst es mal sehen?«
Magdalena schmunzelte. »Dass mir deine Frau den Hals umdreht? Nein danke.«
Sie trank den Humpen in einem Zug leer und machte sich auf dem Weg nach draußen. Leicht schwankend stapfte sie wieder durch den Schnee Richtung Schongau.
Balthasar Hemerle winkte ihr nach, doch sein Gesicht war plötzlich wieder ernst. Er musste an die Männer mit denschwarzen Pferden denken. Kurz glaubte er, einen Hauch von Parfum in der winterkalten Luft zu riechen. Doch vermutlich war es nur der Duft des Gewürzweins.
Schon früh am Morgen brach Simon wieder nach Altenstadt auf. Noch vor der Morgendämmerung war er leise an
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