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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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da gewisse Mittel, über die ich leider nicht verfüge.«
    Johann Lechner trommelte ungeduldig gegen die Gitterstäbe. »Und wer hat solche gewissen Mittel?«
    »Nun, der Henker, vermute ich. Aber das ist Teufelskram. Ein kräftiger Aderlass und die Hebamme ...«
    »Wachen!« Johann Lechner war schon auf dem Weg nach draußen. »Holt mir den Henker. Er soll die Stechlin wiederherstellen, und zwar schnell. Das ist ein Befehl!«
    Eilige Schritte entfernten sich Richtung Gerberviertel.
    Bonifaz Fronwieser näherte sich vorsichtig dem Schreiber. »Kann ich Euch sonst noch irgendwie behilflich sein?«
    Lechner schüttelte nur kurz den Kopf. Er war in Gedanken versunken. »Geh, ich rufe dich, wenn ich dich wieder brauche.«
    »Herr, verzeiht, aber mein Lohn ... «
    Seufzend drückte Johann Lechner dem Medicus ein paar Münzen in die Hand. Dann ging er wieder ins Innere der Feste.
    Die Hebamme lag schwer atmend auf dem Kerkerboden. Neben ihr, schon fast nicht mehr zu erkennen, prangte das Zeichen am Boden.
    »Teufelsbraut«, zischte Lechner. »Sag, was du weißt, und dann fahr zur Hölle.« Er trat der Hebamme mit dem Fuß in die Seite, so dass sie stöhnend auf den Rücken rollte. Dann verwischte er das Hexenmal und schlug ein Kreuz.
    Hinter ihm rüttelte jemand an den Gitterstäben. »Ich hab gesehen, wie sie das Zeichen gemalt hat!«, rief Georg Riegg. »Ich hab ihr gleich einen Stein an den Kopf geschmissen, dass sie uns nicht verhexen kann. Ha, auf den Riegg ist Verlass! Nicht wahr, Herr?«
    Johann Lechner fuhr herum. »Du elender Unglückswurm! Wegen dir wird noch die ganze Stadt brennen! Wenn du sie nicht verletzt hättest, könnte sie jetzt schon ihr Lied vom Teufel singen, und es wäre endlich Ruhe! Aber nein, es muss ja erst der Pflegverwalter kommen. Und das, wo die Stadt ohnehin kein Geld mehr hat. Du blöder Trottel!«
    »Ich ... verstehe nicht.«
    Aber Johann Lechner hörte ihn schon nicht mehr. Er war bereits auf die Straße hinausgetreten. Wenn der Henker die Stechlin nicht bis Mittag kurierte, würde er eine Ratsversammlung anberaumen müssen. Die Sache wuchs ihm über den Kopf.

13
    Montag,
    den 30. April Anno Domini 1659,
    8 Uhr morgens
     
    M it dem Korb in der Hand ging Magdalena die steile Straße vom Lech hinauf zum Marktplatz. Sie konnte an nichts anderes denken als an die Ereignisse der letzten Nacht. Obwohl sie kein Auge zugemacht hatte, war sie hellwach.
    Als Johann Lechner sah, dass die Hebamme wirklich ohnmächtig und schwer verletzt war, hatte er den Henker und den Medicus unter wüstem Fluchen weggeschickt. Nun saßen die beiden im Henkershaus, müde, hungrig und ratlos. Magdalena hatte sich bereit erklärt, auf dem Markt Bier, Brot und Rauchfleisch zu kaufen, um sie wieder aufzumuntern. Nachdem sie auf dem Marktplatz einen Laib Roggenbrot und ein gutes Stück Speck ergattert hatte, steuerte sie die Gasthäuser hinter dem Ballenhaus an. Sie mied den »Stern«, da Karl Semer, der Wirt und Erste Bürgermeister der Stadt, nicht gut auf ihren Vater zu sprechen war. Jeder wusste, dass der Henker sich auf die Seite der Hexe geschlagen hatte. Also ging sie hinüber in den »Sonnenbräu«, um sich zwei Krüge Bier zu besorgen.
    Als sie mit den schäumenden Humpen zurück auf die Straße trat, hörte sie hinter sich Getuschel und Gekicher. Sie sah sich um. Eine Traube von Kindern hatte sich vor dem Eingang der Gaststätte versammelt und betrachtetesie mit teils ängstlichen, teils neugierigen Augen. Magdalena bahnte sich einen Weg durch die Kinderschar, als hinter ihr mehrere Stimmen ein kleines Liedchen sangen. Es war ein Schmähvers mit ihrem Namen.
    »Magdalena Henkersdirn, trägt das Zeichen auf der Stirn. Holt sich jeden jungen Mann, der nicht schnell g’nug laufen kann!«
    Wütend drehte sie sich um.
    »Wer war das? Raus mit der Sprache!«
    Ein paar Kinder liefen weg. Doch die meisten blieben abwartend stehen und sahen sie feixend an.
    »Wer war das?«, wiederholte sie.
    »Den Fronwieser Simon hast verhext, dass er dir überall hinfolgt wie ein Hündchen, und mit der Hexe Stechlin steckst du auch unter einer Decke!«
    Ein schätzungsweise zwölfjähriger, blasser Junge mit schiefer Nase hatte sich zu Wort gemeldet. Magdalena kannte ihn. Es war der Sohn vom Bäcker Berchtholdt. Trotzig sah er ihr ins Gesicht, doch seine Hände zitterten.
    »So, und wer sagt so etwas?«, fragte Magdalena ruhig und versuchte zu lächeln.
    »Mein Vater sagt das«, zischte der kleine Berchtholdt. »Und er meint, dass

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