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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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wieder kurieren. Du hast Mittel und Bücher, die der alte Medicus nicht hat, sagt der Lechner.«
    Jakob Kuisl lachte.
    »Erst soll ich ihr wehtun, dann sie wieder kurieren und ganz zum Schluss anzünden. Ihr spinnt’s doch.« Benedict Cost räusperte sich.
    »Der Lechner sagt, das ist ein Befehl.«
    Jakob Kuisl seufzte.
    »Warte, ich komm gleich.«
    Er ging hinüber in die Kammer, raffte ein paar Flaschen und Tiegel zusammen, packte alles in einen Sack und machte sich auf den Weg.
    »Komm mit«, sagte er zu Simon. »Damit du mal was Anständiges lernst. Nicht bloß dieses Geschreibsel von der Universität, von diesen Laffen, die einen Menschen in vier Säfte einteilen und meinen, damit hat sich’s.«
    Er schlug die Tür hinter ihnen zu und stapfte vorneweg. Der Büttel und Simon folgten ihm.
     
    Magdalena ging langsam am Ballenhaus vorbei über den Marktplatz. Um sie herum priesen Frauen lautstark das erste Frühjahrsgemüse an, Zwiebeln, Kohl und kleine zarte Rüben. Der Geruch von gebackenem Brot und frisch gefangenem Fisch wehte ihr um die Nase. Doch sie hörteund roch nichts. Ihre Gedanken waren immer noch bei dem Gespräch mit den Kindern. Einer plötzlichen Eingebung folgend machte sie kehrt und wandte sich nach Westen hin zum Kuehtor. Schon bald lagen Schreie und Lärm hinter ihr, nur noch wenige Menschen kamen ihr entgegen. Nach kurzer Zeit hatte sie ihr Ziel erreicht.
    Das Haus der Hebamme sah fürchterlich aus. Die Fenster waren eingeschlagen und hingen schief in den Angeln. Jemand hatte die Tür eingedrückt. Vor dem Eingang lagen Tonscherben und zersplittertes Holz. Es war offensichtlich, dass die kleine Stube bereits mehrmals das Ziel von Plünderern gewesen war. Magdalena war sich sicher, dass es dort drinnen nichts mehr von Wert gab, geschweige denn einen Hinweis auf das, was sich hier noch vor einer Woche abgespielt hatte. Trotzdem betrat sie die Stube und sah sich um.
    Der Raum war buchstäblich auf den Kopf gestellt worden. Kessel, Schürhaken, Truhe, aber auch die schönen Zinnbecher und Teller, die Magdalena von früheren Besuchen her kannte, waren verschwunden. Den Hühnerkäfig unter der Bank hatte jemand aufgebrochen und das Federvieh mitgenommen. Selbst der Herrgottswinkel mit Kreuz und Marienstatue war leergeräumt worden. Alles, was von Martha Stechlins Besitz übrig geblieben war, waren ein zersplitterter Tisch und unzählige Tonscherben, die über den Boden verteilt lagen. Auf einigen prangten alchimistische Zeichen. Magdalena erinnerte sich, dass sie einst auf Tontiegeln zu sehen gewesen waren, die die Hebamme in eine Nische neben dem Ofen gestellt hatte.
    Die Henkerstochter stellte sich in die Mitte des Raumes und versuchte sich trotz der Leere vorzustellen, wie die Kinder hier erst letzte Woche noch mit der Hebamme gespielt hatten. Vielleicht hatte die Stechlin ihnen Schauermärchenerzählt; vielleicht aber hatte sie ihnen auch von ihrem geheimen Wissen berichtet, hatte ihnen Kräuter und Pulver gezeigt. Besonders Sophie schien sich für solche Dinge interessiert zu haben.
    Magdalena ging durch den Flur hinaus in den Garten. Obwohl die Verhaftung der Hebamme erst wenige Tage her war, hatte Magdalena das Gefühl, dass der Garten bereits verwilderte. Plünderer hatten das erste zarte Frühjahrsgemüse aus den Beeten gerupft und waren über den einst so prächtigen Kräutergarten hergefallen. Magdalena schüttelte den Kopf. So viel Hass und Habgier, so viel sinnlose Gewalt!
    Plötzlich stockte ihr der Atem. Schnell ging sie zurück in die Stube, um etwas zu überprüfen. Es stach ihr sofort ins Auge.
    Sie musste beinahe lachen, dass es ihr nicht schon vorher aufgefallen war. Sie bückte sich, nahm es in die Hand und eilte hinaus ins Freie. Draußen begann sie tatsächlich zu kichern, so dass einige Bürger verschreckt zu ihr hinübersahen.
    Dass die Henkerstochter und die Hexe unter einer Decke steckten, hatten sie schon früher geahnt. Nun schien der endgültige Beweis erbracht!
    Magdalena ließ sich von den Blicken nicht einschüchtern. Noch immer lachend beschloss sie spontan, nicht durch das Lechtor, sondern durch das Kuehtor nach Hause zu gehen. Sie kannte einen kleinen, einsamen Weg, der sich unterhalb der Stadtmauer hinzog und über einen Steig unten am Lech endete. Die Aprilsonne schien ihr warm aufs Gesicht, als sie das Tor passierte. Sie grüßte den Wächter und schlenderte zwischen den Buchen dahin.
    Es war alles so einfach. Wieso waren sie nicht früher darauf gekommen? Sie

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