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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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du die Nächste bist, die auf dem Scheiterhaufen landet!«
    Magdalena sah sich herausfordernd um. »Glaubt noch jemand so einen Schmarren? Wenn ja, dann soll er sich jetzt schleichen oder er fängt sich eine.«
    Plötzlich hatte sie eine Idee. Sie griff in ihren Korb und zog eine Handvoll kandierter Früchte hervor, die sie eigentlich für ihre Geschwister auf dem Markt gekauft hatte. Mit einem Lächeln sprach sie weiter.
    »Für die anderen hab ich vielleicht etwas Süßes dabei, wenn sie mir ein bisserl was erzählen können.«
    Die Kinder rückten näher an sie heran.
    »Nehmt nichts von der Hex!«, schrie der Sohn vom Berchtholdt. »Bestimmt sind die Früchte verzaubert und machen krank!«
    Ein paar der Kinder schauten ängstlich, doch der Appetit war mächtiger. Mit großen Augen folgten sie jeder ihrer Bewegungen.
    »Magdalena Henkersdirn, trägt das Zeichen auf der Stirn ... «, wiederholte der kleine Berchtholdt. Doch keiner sang mit.
    »Ach, halt doch dein Maul!«, unterbrach ihn jetzt ein anderer Junge, dem vorne eine ganze Reihe Zähne fehlten. »Dein Vater stinkt jeden Morgen nach Schnaps, wenn ich das Brot bei ihm hol. Weiß der Kuckuck, was der sich im Suff alles zusammenspinnt. Und jetzt schleich dich!«
    Weinend und zeternd räumte der Sohn des Bäckers das Feld. Einige folgten ihm, die anderen umringten Magdalena und starrten wie hypnotisiert auf die kandierten Früchte in ihrer Hand.
    »Also«, begann sie, »die ermordeten Buben, die Clara und diese Sophie. Wer weiß, was die bei der Hebamme getrieben haben? Warum haben die nicht mit euch gespielt?«
    »Das waren Saubeutel, echte Plagen«, sagte der Junge vor ihr. »Die vermisst hier keiner. Mit denen wollte niemand was zu tun haben.«
    »Und warum?«, fragte Magdalena.
    »Weil sie doch Bastarde waren, Mündel und Waisen halt!«, warf jetzt ein kleines blondes Mädchen ein, gerade so, als ob die Henkerstochter ein wenig begriffsstutzig wäre. »Außerdem wollten die mit uns auch nichts zu tun haben. Die sind immer mit dieser Sophie herumgezogen. Und die hat einmal meinen Bruder grün und blau geschlagen, die Hex! «
    »Aber der Grimmer Peter, der war doch kein Mündel. Der hatte doch noch seinen Vater ...«, warf Magdalena ein.
    »Den hat die Sophie verhext!«, flüsterte der Junge mit der Zahnlücke. »Der war wie verändert, seitdem er mit ihr zusammen war. Die haben sich geküsst und sich die nackten Ärsche gezeigt! Einmal hat er uns erzählt, dass die Mündel einen Pakt geschlossen hätten und dass sie allen anderen Kindern Warzen ins Gesicht hexen könnten und die Blattern, wenn sie nur wollten. Nur eine Woche später ist der kleine Matthias dann an den Blattern gestorben!«
    »Und bei der Stechlin haben sie das Hexen gelernt«, rief ein kleiner Junge von weiter hinten.
    »Die sind immer bei der in der Stube gesessen, und jetzt hat der Teufel seine Jünger geholt!«, zischte ein zweiter.
    »Amen«, murmelte Magdalena. Dann sah sie die Kinder geheimnisvoll an.
    »Ich kann auch zaubern«, murmelte sie. »Glaubt ihr mir?« Ihre Zuhörer rückten ängstlich ein wenig von ihr ab.
    Magdalena setzte eine verschwörerische Miene auf und machte einige rätselhafte Zeichen mit ihrer Hand. Dann flüsterte sie: »Ich kann kandierte Früchte vom Himmel regnen lassen.«
    Sie warf das süße Konfekt in hohem Bogen in die Luft. Als sich die Kinder schreiend um die Früchte balgten, war sie schon hinter der nächsten Hausecke verschwunden.
    Sie merkte nicht, dass ihr eine Gestalt in sicherem Abstand folgte.
     
    »Ich glaub, ich nehme heute einmal einen Becher von deinem Teufelsgebräu.« Der Henker deutete auf den kleinen Beutel, der an Simons Seite baumelte. Der Medicus nickteund schüttete das Kaffeepulver in den Topf mit kochendem Wasser, der über dem Feuer hing. Ein scharfer, belebender Geruch breitete sich aus. Jakob Kuisl sog ihn mit der Nase ein und nickte anerkennend. »Riecht gar nicht mal so schlecht, dafür dass es die Pisse des Teufels sein soll.«
    Simon schmunzelte. »Und es lässt uns klarer denken, glaubt mir. «
    Er goss dem Henker einen Zinnbecher voll. Dann nippte er vorsichtig an seinem eigenen Becher. Mit jedem Schluck verschwand die Müdigkeit mehr aus seinem Kopf.
    Die beiden Männer saßen sich am großen, abgenutzten Tisch in der Henkersstube gegenüber und brüteten über die Ereignisse der vergangenen Nacht. Kuisls Frau Anna Maria hatte gemerkt, dass die beiden alleine sein wollten, und war mit den Zwillingen zum Waschen hinunter

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