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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Männer aus. Anhand der Fackeln konnte Simon erkennen, dass sie immer zu zweit blieben. Sie gingen am Rand des Waldes entlang und leuchteten in die Dunkelheit. Einmal liefen sie nur wenige Schritte an ihrem Gebüsch vorbei. Doch es war zu finster, sie konnten nichts erkennen. Schließlich sammelten sie sich wieder bei der Leiche. Als Simon schon aufatmen wollte, sah er, dass sich einer der Lichtpunkte erneut ihrem Versteck näherte. Es war ein einzelner Mann. Am Gang konnte er erkennen, dass der Mann hinkte.
    Am Waldrand, unweit ihres Gebüschs, blieb er stehen und hob seine Nase in die Luft. Es sah aus, als schnupperte er. Seine Stimme drang klar bis zu ihnen herüber.
    »Ich weiß, dass du das warst, Henker«, zischte der Hinkende. »Und ich weiß, dass du irgendwo dort draußen bist. Glaub mir, ich werde mich rächen. Ich werde dir die Nase, die Ohren und die Lippen abschneiden. Die Qualen, die du anderen unter der Folter zugefügt hast, sind nichts gegen die Qualen, die du selbst erleiden wirst. Du wirst noch dafür beten, dass ich dir den Schädel einschlage, so wie du’s mit dem André gemacht hast.«
    Dann machte der Mann abrupt kehrt. Die Dunkelheit verschluckte ihn.
    Erst nach einer Weile wagte Simon wieder laut zu atmen. »Wer ... wer war das?«, fragte er.
    Der Henker stand auf und klopfte sich das Laub ausdem Mantel. »Das war der Teufel. Und er ist uns entwischt. Weil du dir in die Hosen geschissen hast!«
    Unwillkürlich wandte sich Simon von ihm ab. Er spürte, dass er nicht nur Angst vor dem Teufel hatte, sondern auch vor dem Mann neben ihm.
    »Ich ... ich kann nicht töten«, flüsterte er. »Ich bin ein Medicus. Ich habe gelernt, Leute zu heilen, nicht sie umzubringen.«
    Der Henker lächelte traurig.
    »Siehst, aber wir, wir sollen das können. Und wenn wir’s dann machen, dann graust’s euch. Blödes Pack, ihr seid’s doch alle gleich.«
    Er stapfte in den Wald hinein. Von einem Moment auf den anderen war Simon allein.
     
    Magdalena klopfte heftig an das kleine Einmann-Loch unten am Lechtor. Die Öffnung war gerade so breit und hoch, dass ein Mensch hindurchpasste. So mussten die Wächter bei Spätheimkehrern nicht das ganze Tor öffnen und so einen Überfall riskieren.
    »Es ist mitten in der Nacht! Komm morgen wieder, das Tor macht zum Sechs-Uhr-Läuten wieder auf«, brummte eine Stimme von der anderen Seite.
    »Alois, ich bin’s! Die Kuisl Magdalena. Mach auf, es ist wichtig!«
    »Was jetzt? Zuerst lass ich euch rein, dann wieder raus, und jetzt wollt’s wieder rein. Nix da, Magdalena, vor morgen früh kommt hier keiner mehr rein in die Stadt.«
    »Alois, an der Baustelle unten an der Hohenfurcher Steige, da wird wieder sabotiert. Da sind Fremde! Mein Vater und der Simon halten sie hin, aber das geht nicht mehr lange gut! Wir brauchen die Büttel!«
    Knarzend öffnete sich die Luke. Ein müder Wachmannsah ihr entgegen; er stank nach Schnaps und Schlaf. »Das kann ich nicht entscheiden. Da musst du schon zum Lechner gehen.«
    Nur kurze Zeit später stand Magdalena vor dem Tor des Herzogschlosses. Zwar wurde sie von den Wachen eingelassen, doch erlaubten sie ihr nicht, den Gerichtsschreiber zu wecken. Sie schrie und zeterte, bis sich endlich im ersten Stock des Wohnhauses ein Fenster öffnete.
    »Was soll der Lärm dort unten, verdammt?«
    Lechner blinzelte verschlafen im Morgenrock vom Fenster aus auf sie hinunter. Magdalena nutzte ihre Chance und berichtete dem Schreiber in kurzen Worten, was geschehen war. Als sie mit ihrer Erzählung zu Ende war, nickte er.
    »Ich komm gleich runter, warte solange.«
    Gemeinsam mit den Nachtwächtern und den Torwachen zogen sie schließlich über die Augsburger Straße hin zur Hohenfurcher Steige. Die Wachen waren mit Spießen und zwei Gewehren bewaffnet. Sie sahen müde aus und machten nicht den Eindruck, als wäre es ihr größter Wunsch, vor der Morgendämmerung ein paar marodierenden Söldnern nachzujagen. Johann Lechner hatte sich nur notdürftig Wams und Mantel übergestreift, seine Haare lugten zerzaust unter der Ratskappe hervor. Misstrauisch sah er Magdalena von der Seite an.
    »Ich hoffe, du sagst die Wahrheit. Ansonsten könnt ihr euch, du und dein Vater, auf etwas gefasst machen. Und überhaupt, was hat der Henker um diese Zeit draußen an der Steige verloren? Brave Bürger bleiben zu Hause! Dein Vater ist mir in letzter Zeit ein wenig zu vorlaut. Er soll torquieren und hängen und ansonsten das Maul halten, Himmelherrgott!«
    Magdalena

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