Die Henkerstochter
senkte demütig den Kopf.
»Wir ... wir haben Kräuter im Wald gesammelt. Frauenhaarmoos und Beifuß. Ihr wisst, man darf sie nur bei Mondlicht pflücken.«
»Teufelszeug! Und was hat der Fronwiesersohn dort zu schaffen? Ich glaub dir kein Wort, Kuisltochter! «
In der Zwischenzeit hatte es angefangen zu dämmern. Die Wachen löschten ihre Laternen, als sie sich der nebligen Rodung unweit der Straße näherten. Weiter hinten auf einem Holzstapel saßen Henker und Medicus.
Johann Lechner stapfte auf die beiden zu. »Und? Wo sind eure Saboteure? Ich sehe nichts. Und die Baustelle sieht noch genauso aus wie gestern!«
Jakob Kuisl erhob sich. »Sie sind geflohen, bevor sie etwas zerstören konnten. Ich hab einen von ihnen aufs Maul gehauen.«
»Und? Wo ist der jetzt?«, hakte der Schreiber nach. »Er ... sah nicht mehr gut aus. Die anderen haben ihn mitgenommen.«
»Kuisl, nenn mir einen Grund, warum ich dir diese Geschichte glauben sollte.«
»Nennt mir einen Grund, warum ich Euch sonst mitten in der Nacht hier herrufen sollte.«
Der Henker ging jetzt auf den Schreiber zu.
»Es waren fünf«, sagte Kuisl eindringlich. »Vier von ihnen waren Söldner. Der fünfte war ... jemand anderes. Der Auftraggeber, vermut ich. Und ich glaube, er ist aus der Stadt.«
Der Schreiber lächelte. »Du hast ihn nicht zufällig erkannt? «
»Es war zu dunkel«, mischte sich jetzt Simon ein. »Aber die anderen haben über ihn gesprochen. Sie haben ihn Pfeffersack genannt. Es muss also ein reicher Bürger sein.«
»Und warum sollte so ein reicher Bürger ein paar Söldnerbeauftragen, die Baustelle des Siechenhauses zu zerstören?«, unterbrach ihn Lechner.
»Sie haben sie nicht zerstört. Sie haben etwas gesucht«, sagte Simon.
»Was jetzt? Haben sie die Baustelle zerstört oder haben sie etwas gesucht? Zuerst spracht ihr davon, dass sie sie zerstören wollten.«
»Verdammt, Lechner«, knurrte Jakob Kuisl. »Seid doch nicht so schwer von Begriff! Irgendjemand hat diese Männer beauftragt, dass sie hier alles auf den Kopf stellen. Dass sie die Bauarbeiten behindern, damit ihr Auftraggeber in Ruhe nach dem suchen kann, was hier versteckt ist!«
»Aber das ist doch Unsinn«, warf Johann Lechner ein. »Sie hätten doch mit den Zerstörungen nichts gewonnen. Die Bauarbeiten gingen doch trotz allem weiter.«
»Aber es kam zu Verzögerungen«, warf Simon ein.
Jakob Kuisl schwieg. Der Schreiber wollte sich schon abwenden, als der Henker plötzlich wieder sprach.
»Die Fundamente.«
»Was? «
»Der Auftraggeber muss vermuten, dass der Schatz, oder was immer es auch ist, unter den Fundamenten ist. Wenn die Bauarbeiten hier abgeschlossen sind, dann kommt er da nicht mehr ran. Dann stehen hier feste Gebäude aus Stein, alles ist vermörtelt und vermauert. Also muss er die Bauarbeiten sabotieren, und in der Zwischenzeit gräbt er jeden Flecken Erde um, bis er findet, was er sucht.«
»Das stimmt!«, rief Simon. »Als wir das erste Mal hier waren, waren Teile des Fundaments knietief ausgehoben. Jemand hatte die Steinplatten fein säuberlich zur Seite geräumt. Und auch diese Nacht hat einer der Männer mit einer Latte die Platten angehoben!«
Johann Lechner schüttelte den Kopf.
»Geschichten von Schatzjägern und einer geheimnisvollen Suche bei Mitternacht ... Und das soll ich euch glauben? « Er wies mit der Hand über die Rodung. »Was soll hier schon groß versteckt sein? Das Gelände gehört der Kirche, wie ihr wisst. Wenn hier etwas zu finden wäre, dann hätte es der Pfarrer doch schon längst in seinen Aufzeichnungen entdeckt. Jedes Kirchengrundstück wird genau festgehalten. Grundriss, Lage, Vorgeschichte ...«
»Nicht dieses«, unterbrach ihn Jakob Kuisl. »Dieses Grundstück hat die Kirche erst kürzlich vom alten Schreevogl geschenkt bekommen, der sich so seinen Weg ins Paradies erschlichen hat. Sie weiß nichts darüber, gar nichts.«
Der Henker ließ seinen Blick über die Lichtung schweifen. Die Grundmauern der kleinen Kapelle, die Fundamente für das Siechenhaus, der Brunnen, die Linde, ein Balkengerüst für einen späteren Stall, Holzstapel …
Irgendetwas ist hier versteckt.
Der Gerichtsschreiber lächelte milde. »Kuisl, Kuisl, bleib bei dem, was du kannst, und überlass den Rest uns Herren vom Rat. Hast du mich verstanden? Sonst schau ich mir deine Stube mal genauer an. Man munkelt, du verkaufst Liebestränke und anderen Hexentand ... «
Simon mischte sich ein. »Aber Herr, er hat doch recht, das
Weitere Kostenlose Bücher