Die Henkerstochter
uns Seine Exzellenz Graf Sandizell schon morgen Vormittag mit seiner Anwesenheit beehren.«
Ein Stöhnen ging durch den Ratssaal. Die Patrizier wussten, was sie erwartete. Ein kurfürstlicher Verwalter samtTross, der sich für mehrere Tage, vielleicht Wochen hier einnistete, kostete die Stadt ein Vermögen! Ganz zu schweigen von den endlosen Befragungen verdächtiger Bürger und Bürgerinnen hinsichtlich der Hexerei. Solange der oder die wahren Schuldigen nicht gefasst waren, konnte im Grunde jeder hier mit dem Teufel im Bunde sein. Auch die Ratsherren samt Gattinnen ... Beim letzten großen Hexenprozess hatte es auch einige angesehene Bürgersfrauen getroffen. Der Teufel machte keinen Unterschied zwischen Magd und Wirtin, zwischen einer Hebamme und der Tochter des Bürgermeisters.
»Was ist mit dem Augsburger Rottmann, den wir in Gewahrsam genommen haben wegen der Brandstiftung am Stadl? «, fragte jetzt der Zweite Bürgermeister Johann Püchner , während er nervös mit den Fingern auf den Tisch trommelte. »Hat er etwas damit zu tun? «
Johann Lechner schüttelte den Kopf.
»Ich habe ihn persönlich vernommen. Er ist unschuldig. Ich habe ihn deshalb heute Morgen nach ein paar harten Worten freigelassen. Wenigstens werden uns die Augsburger jetzt so schnell nicht wieder belästigen. Die haben ihr Fett weg. Aber der Augsburger Rottmann hat gesehen, dass sich Söldner am Stadl zu schaffen gemacht haben...«
»Söldner? Was für Söldner?«, fragte der alte Augustin. »Diese Geschichte wird immer verworrener. Lechner, ich bitte um Aufklärung!«
Johann Lechner überlegte kurz, ob er den Ratsherren von seinem Gespräch mit dem Henker unten an der Baustelle erzählen sollte. Er entschied sich dagegen. Die Sache war auch so schon kompliziert genug. Er zuckte mit den Schultern.
»Nun, es hat den Anschein, als ob ein paar marodierendeLumpen unseren Lagerschuppen angezündet haben. Dieselben Lumpen haben auch die Baustelle des Siechenhauses zerstört.«
»Und jetzt ziehen sie herum, töten kleine Kinder und malen ihnen Hexenzeichen auf die Schultern«, fuhr der alte Augustin dazwischen, während er mit seinem Stock ungeduldig auf den teuren Kirschholzboden schlug. »Ist es das, was Ihr uns sagen wollt? Lechner, reißt Euch zusammen! Wir haben die Hexe, sie muss nur noch gestehen! «
»Ihr versteht mich falsch«, beruhigte der Gerichtsschreiber den blinden Patrizier. »Diese Söldner haben vermutlich die Brände gelegt. Aber für den Tod unserer Kinder sind selbstverständlich der Teufel und seine Helferin verantwortlich. Die Beweise sind offensichtlich. Wir haben bei der Stechlin Zauberkräuter gefunden, die Kinder waren häufig bei ihr, es gibt Bürger, die bezeugen, dass sie die Kinder in die Kunst der Hexerei eingeweiht hat ... Alles, was wir brauchen, ist ihr Geständnis. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass laut der Lex Carolina nur verurteilt werden darf, wer auch gesteht.«
»Ihr braucht mich nicht über die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls aufklären. Ich kenne sie zur Genüge«, murmelte Matthias Augustin, und seine blinden Augen schweiften in die Ferne, die Nasenflügel blähten sich, als ob er einen fernen Gestank wahrnähme. »Ich rieche schon wieder das Fleisch der verbrennenden Weiber, so wie vor siebzig Jahren. Übrigens, auch die Gattin eines Landrichters hauchte ihr Leben damals auf dem Scheiterhaufen aus...«
Der Kopf des Blinden schnellte wie der eines Habichts in Richtung des Gerichtsschreibers. Dieser wandte sich wieder seinen Akten zu, während er leise sagte: »MeineFrau ist vor drei Jahren gestorben, wie Ihr wisst, und damit über jeden Verdacht erhaben. Wenn es das ist, worauf Ihr anspielt ...«
»Und wenn wir mit der Hexe die Wasserprobe machen? «, warf der Spitalpfleger Wilhelm Hardenberg plötzlich ein. »Das haben sie auch in Augsburg vor ein paar Jahren gemacht. Der Hexe werden die Daumen an die Zehen gebunden, man wirft sie ins Wasser. Wenn sie trotzdem an der Oberfläche schwimmt, hilft ihr der Teufel und sie ist der Hexerei überführt. Wenn sie untergeht, ist sie unschuldig, und man ist sie trotzdem los ... «
»Verdammt, Hardenberg«, brüllte der alte Augustin. »Seid Ihr taub oder was? Die Stechlin ist ohnmächtig! Die geht unter wie ein Stein! Wer glaubt uns schon eine solche Wasserprobe? Der kurfürstliche Verwalter jedenfalls nicht!«
Zum ersten Mal meldete sich jetzt der junge Jakob Schreevogl zu Wort. »Warum haltet Ihr den Gedanken, die Kinder könnten von
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