Die Henkerstochter
der Sonne. Zum ersten Mal an diesem Tag spielte ein Lächeln um die Lippen des Henkers.
Plötzlich gefroren seine Gesichtszüge.
Auf der Bank vor dem Haus saß ein Mann und hielt sein Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen. Er hatte die Augen geschlossen. Als er Jakob Kuisl am Gartentor hörte, blinzelte er, als wäre er aus einem schönen Traum aufgewacht. Er trug einen Hut mit Hahnenfedern und ein blutrotes Wams. Die Hand, mit der er sein Gesicht gegen die Sonne abschirmte, leuchtete grellweiß auf.
Der Teufel sah Jakob Kuisl an und lächelte.
»Ah, Henker! Einen wunderbaren Garten hast du da! Bestimmt kümmert sich deine Frau darum, oder die kleine Magdalena, nicht wahr?«
Jakob Kuisl blieb am Gartentor stehen. Beiläufig nahmer einen Stein von der Mauer und wog ihn versteckt in der Hand. Ein gezielter Wurf …
»Ach ja, die kleine Magdalena«, fuhr der Teufel fort. »Ein Satansbraten. Aber bildschön, wie ihre Mutter. Ob sie harte Brustwarzen bekommt, wenn man ihr böse Worte ins Ohr flüstert? Ich werd es ausprobieren müssen.«
Jakob Kuisl drückte den Stein in seiner Hand so hart, dass sich die Kanten in sein Fleisch schnitten.
»Was willst du?«, murmelte er.
Der Teufel stand auf und ging hinüber zum Fenstersims, auf dem ein Krug mit Wasser stand. Langsam setzte er an und trank in tiefen Schlucken. Tropfen rannen seinen gestutzten Bart hinunter und fielen zu Boden. Erst als er den Krug zur Neige geleert hatte, setzte er ihn ab und wischte sich mit der Hand über den Mund.
»Was ich will? Die Frage ist eher, was du willst. Willst du deine Tochter wiedersehen, und zwar in einem Stück? Oder lieber in zwei Hälften, zerteilt wie ein Stück Vieh, nachdem ich ihr die plappernden Lippen weggeschnitten habe?«
Jakob Kuisl holte mit der Hand aus, der Stein flog direkt auf die Stirn des Teufels zu. In einer fast nicht mehr wahrnehmbaren Bewegung drehte sich dieser zur Seite, so dass der Stein wirkungslos gegen die Türe prallte.
Der Teufel wirkte einen kurzen Moment erschrocken. Dann lächelte er wieder.
»Du bist schnell, Henker, das gefällt mir. Und du kannst gut töten, so wie ich. «
Plötzlich verzog sich sein Gesicht zu einer bestialischen Fratze. Kurz glaubte Jakob Kuisl, der Mann vor ihm wäre dabei, den Verstand zu verlieren. Doch dann hatte sich der Teufel wieder unter Kontrolle. Sein Gesicht wurde ausdruckslos.
Kuisl sah ihn lange an. Er ... kannte diesen Mann. Erwusste nur nicht woher. Mühsam durchkramte er sein Gedächtnis auf der Suche nach diesem Gesicht. Wo hatte er ihn schon einmal gesehen? Im Krieg? Auf dem Schlachtfeld?
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen vom Klirren des Tonkrugs. Der Teufel hatte ihn beiläufig hinter sich geworfen.
»Genug der Plauderei«, flüsterte er. »Hier ist mein Angebot. Du zeigst mir, wo der Schatz ist, und ich geb dir deine Tochter zurück. Wenn nicht ... « Er fuhr sich langsam über die Lippen.
Jakob Kuisl schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht, wo der Schatz ist. «
»Dann finde es heraus!«, zischte der Teufel. »Du bist doch sonst so schlau. Also lass dir was einfallen. Wir haben das ganze Grundstück umgegraben und nichts gefunden. Aber der Schatz muss dort sein!«
Jakob Kuisls Mund war trocken, er versuchte Ruhe zu bewahren. Er musste den Teufel hinhalten. Wenn er nur näher an ihn herankommen könnte …
»Denk gar nicht darüber nach, Henker«, flüsterte der Teufel. »Meine Freunde passen auf das kleine Henkerstöchterlein auf. Wenn ich nicht innerhalb der nächsten halben Stunde zurückkomme, werden sie ihr genau das antun, was ich ihnen aufgetragen habe. Sie sind zu zweit, und es wird ihnen großen Spaß machen.«
Jakob Kuisl hob beschwichtigend die Hände.
»Was ist mit den Bütteln?«, fragte er, um Zeit zu gewinnen. Seine Kehle fühlte sich rau an. »Die Baustelle ist Tag und Nacht bewacht.«
»Das ist dein Problem.« Der Teufel wandte sich zum Gehen. »Morgen um die gleiche Zeit werde ich wieder hier sein. Du hast den Schatz, oder ... «
Er zuckte fast entschuldigend mit den Schultern. Dann schlenderte er Richtung Weiher.
»Was ist mit eurem Auftraggeber?«, rief ihm der Henker noch hinterher. »Wer steckt hinter all dem?«
Der Teufel drehte sich ein letztes Mal um. »Willst du es wirklich wissen? Es gibt doch schon genug Ärger in eurer Stadt, findest du nicht? Vielleicht sag ich es dir, wenn du mir den Schatz gibst. Vielleicht ist der Mann dann aber schon tot.«
Er marschierte über die grünen, feuchten Wiesen davon,
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