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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Eingangstor des Ballenhauses erreicht. Die zwei Büttel waren verschwunden. Vermutlich waren sie im Wirtshaus, um neue Medizin zu holen. Ohne darauf zu achten, ob ihn jemand bemerkte, verließ Simon das Ballenhaus und rannte über den Marktplatz.
    Von einem Fenster auf der anderen Seite des Platzes beobachtete ihn jemand. Als der Mann genug gesehen hatte, zog er den Vorhang wieder zu und begab sich zurück an seinen Schreibtisch. Neben einem Glas Wein und einem Stück dampfender Pastete lag ein herausgerissenes Stück Pergament. Die Hände des Mannes zitterten, als er trank. Wein tropfte auf das Dokument, rote Flecken wie von Blut breiteten sich langsam darauf aus.
     
    Der Henker lag auf einem Bett aus Moos, rauchte seine Pfeife und blinzelte in die letzten Strahlen der Nachmittagssonne. Von fern konnte er die Stimmen der Wachen auf der Baustelle hören. Die Handwerker waren wegen des morgigen Maifests schon mittags nach Hause gegangen. Jetzt lungerten die beiden abkommandierten Büttel auf den Mauern der Kapelle herum und würfelten. Gelegentlich drang Gelächter zu Jakob Kuisl hinüber. Die Wachen hatten schon schlimmere Dienste geschoben.
    Von links mischte sich nun ein neues Geräusch dazwischen. Es war das Knistern von Zweigen. Kuisl löschte seine Pfeife, sprang auf die Füße und war in Sekundenschnelle im Unterholz verschwunden. Als Simon an ihm vorbeischlich, griff er nach dessen Knöchel und brachte ihn mit einem Ruck zu Fall. Mit einem leisen Aufschrei stürzte Simon zu Boden und tastete nach seinem Messer.Das Gesicht des Henkers tauchte grinsend zwischen den Zweigen auf.
    »Buh! «
    Simon ließ das Messer fallen.
    »Mein Gott, Kuisl, habt Ihr mich erschreckt! Wo wart Ihr die ganze Zeit? Ich habe Euch überall gesucht! Eure Frau macht sich große Sorgen, und außerdem ... «
    Der Henker legte den Finger an die Lippen und deutete zur Lichtung hinüber. Zwischen den Ästen waren schemenhaft die Wachen zu erkennen, die immer noch auf dem Mäuerchen hockten und würfelten. Simon fuhr mit leiser Stimme fort.
    »Außerdem weiß ich jetzt das Versteck der Kinder. Es ist...«
    »Der Brunnen«, fuhr Jakob Kuisl fort und nickte. Simon blieb kurz die Luft weg.
    »Aber woher wisst Ihr? Ich meine ... «
    Der Henker unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung.
    »Kannst du dich erinnern, als wir das erste Mal auf der Baustelle waren?«, fragte er. » Im Straßengraben steckte ein Fuhrwerk fest. Auf dem Wagen waren auch Fässer mit Wasser geladen. Damals habe ich mir nichts dabei gedacht. Erst viel zu spät hab ich mich gefragt, warum sich jemand die Mühe macht, Wasser zu bringen, wenn doch da ein Brunnen ist.«
    Er deutete zu dem steinernen, kreisrunden Brunnen hinüber, der alt und verfallen wirkte. Von der obersten Reihe waren einige Steine herausgebrochen, sie lagen am Brunnenrand, aufgeschichtet wie zu einer kleinen, natürlichen Treppe. An dem verwitterten Holzgerüst über dem gemauerten Rund waren keine Kette und kein Eimer befestigt ... Simon schluckte. Sie waren so dumm gewesen!Die Lösung war die ganze Zeit vor ihren Augen gestanden.
    Schnell erzählte er dem Henker von seinem Gespräch mit Jakob Schreevogl und was er im Archiv des Ballenhauses herausgefunden hatte. Jakob Kuisl nickte.
    »Ferdinand Schreevogl muss sein Geld, kurz bevor die Schweden kamen, aus Angst hier irgendwo vergraben haben«, brummte er. »Vielleicht hat er es ja auch im Brunnen versteckt. Dann hat er sich mit seinem Sohn zerstritten und das Grundstück samt Schatz der Kirche vermacht.«
    Simon unterbrach ihn.
    »Jetzt fällt mir auch wieder ein, was der Pfarrer mir damals in der Beichte gesagt hat«, rief er dazwischen. »Schreevogl habe auf dem Sterbebett davon gesprochen, dass der Pfarrer mit dem Grundstück noch viel Gutes bewirken könne. Damals habe ich gedacht, er würde damit das Siechenhaus meinen. Jetzt ist mir klar, dass er vom Schatz sprach!«
    »Irgendeiner von den Pfeffersäcken im Rat hat davon Wind gekriegt«, murmelte der Henker. »Wahrscheinlich hat’s der alte Schreevogl im Suff oder kurz vor seinem Tod jemandem erzählt, und dieser Jemand hat alles darangesetzt, den Bau auf dem Grundstück zu sabotieren und diesen verdammten Schatz zu finden.«
    »Offenbar Bürgermeister Semer«, sagte Simon. »Er hat den Schlüssel zum Archiv und konnte sich so den Grundstücksplan unter den Nagel reißen. Gut möglich, dass er jetzt auch von dem versiegten Brunnen weiß.«
    »Gut möglich«, knurrte Jakob Kuisl. »Umso

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