Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
fragte Simon, dem beim Gedanken daran, wieder in einen der schmalen Tunnel zu kriechen, beinahe übel wurde.
    »Zähl beim Suchen bis 500. Wenn du bis dahin nichts gefunden hast, kehr um. Wir treffen uns dann wieder hier und lassen uns was Neues einfallen.«
    Simon nickte. Jakob Kuisl war schon die Leiter hinaufgestiegen, die unter seinem Gewicht bedrohlich knackste. Noch einmal blickte er auf Simon hinunter.
    »Ach, und Fronwieser ...«
    Simon sah erwartungsvoll zu ihm hinauf.
    »Ja? «
    »Verlauf dich nicht. Sonst finden sie dich erst zum Jüngsten Gericht wieder.«
    Grinsend verschwand der Henker im Loch in der Decke. Kurz konnte Simon ihn noch in der Kammer über sich hören, dann kehrte Stille ein.
    Der Medicus seufzte, dann begab er sich zu den beiden Löchern. Sie waren gleich groß und gleich finster. In welches sollte er schlüpfen? Kurz überlegte Simon, ob er einenAbzählreim zu Hilfe nehmen sollte, dann entschied er sich doch spontan für das rechte Loch.
    Als er hineinleuchtete, konnte er sehen, dass der nur hüfthohe Gang tatsächlich leicht abschüssig war. Der Lehm am Boden war feucht und schmierig. Winzige Bächlein rannen an den Seiten hinab in die Tiefe. Simon ließ sich auf die Knie hinunter und tappte vorwärts. Sehr schnell merkte er, dass der Boden unter ihm die Konsistenz von schleimigen Wasserpflanzen hatte. Er versuchte, sich mit den Händen an den Seiten abzustützen. Da er aber in der rechten Hand die Laterne trug, rutschte er immer wieder gegen die linke Wand. Schließlich konnte er sich nicht mehr halten. Er musste sich entscheiden, ob er die Laterne loslassen und sich festhalten oder einfach hinabrutschen sollte. Er entschied sich fürs Rutschen.
    Simon schlitterte den Gang hinunter, der jetzt immer steiler wurde. Nach wenigen Metern spürte er plötzlich, wie der Boden unter ihm aufhörte. Er flog durch die Luft! Noch bevor er schreien konnte, war er bereits wieder gelandet. Beim Aufprall auf dem harten Lehmboden flog ihm die Laterne aus der Hand und rollte in eine Ecke. Kurz konnte Simon noch eine felsige Kammer erkennen, die der vorherigen ähnelte, dann erlosch die Laterne.
    Schwärze verschluckte ihn.
    Die Dunkelheit war so tief, dass sie ihm wie eine Wand vorkam, gegen die er geprallt war. Nach dem ersten Schreckensmoment tappte er auf Knien in die Richtung, in der er die Laterne vermutete. Seine Hand tastete über Steine und Lehmbrocken, tauchte kurz in das kalte Wasser einer Pfütze, dann spürte er das warme Kupfer der Laterne.
    Erleichtert griff er nach dem Zunderkästchen in seiner Hosentasche, um die Laterne wieder zu entzünden.
    Es war nicht mehr da.
    Er begann seine Taschen abzuklopfen, erst die linke, dann die rechte. Schließlich wühlte er in der Innentasche seines Wamses. Nichts. Das Zunderkästchen musste ihm herausgefallen sein, entweder beim Sturz in die Kammer oder schon vorher beim Kriechen durch die Gänge. Krampfhaft hielt er sich an der nutzlosen Laterne fest, während er mit der anderen Hand blind und ohne Orientierung auf Knien nach dem verlorenen Kästchen tappte. Nach kurzer Zeit war er an der gegenüberliegenden Wand angelangt. Er machte kehrt und tappte wieder zurück. Nachdem er diese Prozedur dreimal absolviert hatte, gab er auf. Er würde das Zunderkästchen hier unten nicht finden.
    Simon versuchte Ruhe zu bewahren. Noch immer war alles um ihn herum schwarz. Er fühlte sich lebendig begraben; sein Atem ging schneller. Er lehnte sich an die nasse Wand. Dann rief er nach dem Henker.
    »Kuisl! Ich bin abgerutscht! Meine Laterne ist aus. Ihr müsst mir helfen!«
    Stille.
    »Kuisl, verdammt! Das ist nicht lustig!«
    Nichts war zu hören außer seinem eigenen schnellen Atem und einem gelegentlichen Tröpfeln. War es möglich, dass der Lehm hier unten sämtliche Geräusche verschluckte?
    Simon stand auf und tastete sich an der Wand entlang. Nach wenigen Metern stieß seine Hand ins Leere. Er hatte den Ausgang nach oben gefunden! Erleichtert tastete er die Stelle ab. Das ungefähr armbreite Loch begann in Brusthöhe. Hier war er in die Kammer gefallen. Wenn er es schaffte, wieder in den oberen Raum hinaufzukriechen, müsste er eigentlich unweigerlich auf den Henker treffen.Zwar hatte Simon nicht bis 500 gezählt, aber sein Aufenthalt hier unten kam ihm auch so schon wie eine Ewigkeit vor. Bestimmt war der Henker bereits zurückgekehrt.
    Aber warum meldete er sich dann nicht?
    Simon konzentrierte sich auf das, was vor ihm lag. Er nahm die Laterne zwischen die

Weitere Kostenlose Bücher