Die Henkerstochter
blödes Pack! Ha, die Hex brennt, und alles wird wieder gut. Amen. Drei Vaterunser drauf. Besser hätten wir’s uns gar nicht ausdenken können.«
Der Henker dachte nach. Irgendwo hatten sie einen Fehler gemacht. Er hatte das Gefühl, dass die Lösung ganz nahe war. Ein Mosaiksteinchen noch, und alles würde zusammenpassen.
Nur welches?
Doch momentan hatte er andere Probleme. Wo blieb nur Simon? Ob ihm hier unten etwas zugestoßen war? Hatte er sich verirrt?
»Wenn ich sowieso zur Hölle fahren soll ... «, fragte er weiter, »dann kannst du mir doch auch gleich erzählen, wer euch diesen Auftrag gegeben hat. «
Der Teufel lachte weiter.
»Das wüsstest du gerne, was? Eigentlich könnte ich es dir ja auch sagen, aber ... « Er grinste wölfisch, so als hätte er plötzlich einen witzigen Gedanken. »Du kennst dich doch mit dem Foltern aus, nicht wahr? Ist es nicht auch eine Art Folter, wenn man nach einer Lösung sucht und sie nicht findet? Dass man noch sterbend darauf hofft, die Wahrheit zu erfahren, und doch nicht erlöst wird? Nun, das ist meine Folter. Und jetzt stirb.«
Noch lachend schlug der Teufel eine Finte, dann noch eine, und war plötzlich direkt vor dem Henker. Kuisl hieltim letzten Moment seinen Knüppel gegen den Säbel. Trotzdem schob sich die Klinge näher und näher an seine Kehle heran. Er stand mit dem Rücken zur Wand und konnte nichts weiter tun, als den Druck zu erwidern. Der Mann vor ihm hatte ungeheuerliche Kräfte. Sein Gesicht schob sich auf Kuisl zu, und mit ihm die Klinge. Zentimeter für Zentimeter.
Der Henker konnte die Weinfahne des anderen riechen. Er sah in seine Augen und blickte dahinter in eine leere Hülle. Der Krieg hatte diesen Söldner ausgesaugt. Vielleicht war er schon immer wahnsinnig gewesen, doch der Krieg hatte ihm den Rest gegeben. Jakob Kuisl sah Hass und Tod, sonst nichts.
Die Klinge war jetzt nur noch einen Finger breit von seiner Kehle entfernt. Er musste etwas tun.
Der Henker ließ seine Laterne fallen und drückte den Kopf des Söldners mit seiner linken Hand nach hinten. Ganz langsam wich die Klinge von ihm zurück.
Darf ... nicht ... aufgeben ... Magdalena …
Mit einem Aufschrei mobilisierte er seine letzten Kräfte und schleuderte den Teufel an die gegenüberliegende Wand, wo dieser wie eine zerbrochene Puppe zu Boden rutschte.
Der Söldner schüttelte sich kurz, dann stand er wieder auf den Füßen; in den Händen Säbel und Fackel, bereit für einen neuen Angriff. Jakob Kuisls Mut sank auf den Nullpunkt. Dieser Mann war unbesiegbar. Er würde immer wieder aufstehen. Der Hass setzte Energien in ihm frei, die normale Sterbliche nicht besaßen.
Seine Laterne lag in einer Ecke. Glücklicherweise war sie nicht ausgegangen.
Glücklicherweise?
Den Henker durchzuckte eine Idee. Warum war ernicht schon früher darauf gekommen? Es war riskant, aber wahrscheinlich seine einzige Chance. Ohne den Teufel aus den Augen zu lassen, griff er nach seiner Laterne, die am Boden immer noch flackerte. Als er sie wieder in den Händen hielt, lächelte er sein Gegenüber an.
»Ein bisserl ungerecht, oder? Du mit dem Säbel, ich nur mit dem Knüppel ...«
Der Teufel zuckte mit den Schultern.
»Das ganze Leben ist ungerecht.«
»Ich finde, das muss nicht sein«, sagte Kuisl. »Wenn wir schon kämpfen müssen, dann wenigstens unter gleichen Bedingungen.«
Dann pustete er seine Laterne aus.
Sein Gesicht wurde von der Dunkelheit verschluckt. Er war jetzt für sein Gegenüber nicht mehr zu sehen.
Im nächsten Moment warf er die Laterne genau auf die Knochenhand des Teufels. Der Söldner schrie auf. Mit einem solchen Angriff hatte er nicht gerechnet. Verzweifelt versuchte er noch die Hand wegzuziehen, aber es war zu spät. Die Laterne traf die weißen Knochen und löste die Fackel aus der Verankerung. Zischend fiel sie zu Boden und erlosch.
Die Schwärze war so vollständig, dass der Henker sich fühlte, als wäre er auf den Grund eines Moorsees gefallen. Kurz atmete er durch.
Dann warf er sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Teufel.
15
Montag,
den 30. April Anno Domini 1659,
11Uhr nachts, Walpurgisnacht
A uch Magdalena sah nichts als Schwärze. Ihr Mund war erfüllt vom muffigen Geschmack des Knebels, die Seile schnürten ihre Hand- und Fußgelenke ein, so dass sie außer einem leichten Kribbeln kaum noch etwas spürte. Die Wunde an ihrem Kopf schmerzte immer noch, blutete aber offenbar nicht mehr. Ein schmutziges Stück Leinen hinderte sie daran zu
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