Die Henkerstochter
glimmt der Wahnsinn. Ein spöttisches Funkeln, der Mund zuckt wie unter Krämpfen. Er hebt seine Hand und winkt. Die Hand ist weiß, gekrümmte Knochenfin ger, die einladen, sich am großen Blutrausch zu beteiligen. Dann verschwindet der Mann im Inneren des Hauses.
Von oben sind Schreie zu hören. Du rennst ihm hinterher, springst über Mann, Frau und Säugling hinweg, die brennenden Stufen empor, links ein Zimmer. Der Söldner steht vor einem jungen Mädchen. Sie liegt zwischen zerbrochenem Geschirr und zersplitterten Weinkaraffen auf einem Esstisch, das blutige Kleid ist bis zu den Knien hochgezogen. Der Söldner lächelt dich an und macht eine einladende Geste. Das Mädchen glotzt mit vor Angst weit aufgerissenen Augen ins Leere. Du greifst nach deinem Säbel und holst gegen den Mann aus. Doch er duckt sich weg und läuft auf den Balkon. Als du ihm nacheilst, springt er drei Meter tief auf die Straße. Er kommt falsch auf und überschlägt sich. Dann hinkt er in eine Seitengasse. Bevor er verschwindet, deutet er mit seiner Knochenhand auf dich, als wollte er dich mit seinen Fingern festnageln …
Ein zischendes Geräusch.
Jakob Kuisls Erinnerungen wurden jäh unterbrochen, der Säbel des Teufels sauste direkt auf seinen Kopf zu. Im letzten Moment konnte der Henker zur Seite springen, doch der Hieb streifte seine linke Schulter und hinterließ einen dumpfen Schmerz. Jakob Kuisl taumelte nach hinten an die Wand. Das Gesicht des Teufels leuchtete hassverzerrt im Schein der Fackel; die lange Narbe, die sich vom Ohr bis zum Mundwinkel zog, zuckte nervös.
»Das warst du, Henker! Du hast mir das krumme Bein eingebrockt. Wegen dir hinke ich! Ich schwöre dir, dein Tod wird schmerzvoll werden. Mindestens ebenso schmerzvoll wie der deiner Tochter!«
Der Söldner hatte sich wieder in seine Ausgangsposition begeben. Er stand in der Mitte der Kammer und wartete auf die nächste Blöße seines Gegners. Fluchend riebsich Jakob Kuisl die Wunde an der Schulter. Seine Hand war schmierig von Blut. Schnell wischte er sie an seinem Mantel ab und konzentrierte sich wieder auf den Söldner. Im Schein der Laterne war er nur schwer auszumachen. Allein die Fackel seines Gegenübers gab Kuisl einen Anhaltspunkt, wo er hinschlagen sollte. Er täuschte einen Angriff rechts an und wirbelte dann links auf den Teufel zu. Der Söldner machte einen plötzlichen Schritt zur Seite und ließ den Henker an sich vorbeitaumeln, hinüber zur Wand. Im letzten Moment riss Kuisl den Knüppel hoch. Das harte Lärchenholz traf seinen Gegner zwar nicht wie geplant am Hinterkopf, aber doch wenigstens am Schulterblatt. Mit einem Schmerzensschrei sprang der Teufel nach hinten, bis auch er an der Wand lehnte. Keuchend standen sie sich nun gegenüber, jeder mit dem Rücken zur Wand, den Gegner mit kalten Augen fokussierend.
»Du bist nicht schlecht, Henker«, sagte der Teufel zwischen zwei Atemzügen. »Aber das wusste ich. Schon in Magdeburg hab ich in dir einen ebenbürtigen Gegner gesehen. Dein Todeskampf wird mir Spaß machen. Ich hab gehört, dass auf den Westindischen Inseln die Wilden die Hirne ihrer stärksten Feinde verspeisen, damit ihre Stärke in sie übergeht. Ich glaube, das werde ich auch bei dir machen. «
Ohne Vorwarnung sprang er direkt auf Jakob Kuisl zu. Der Säbel wirbelte durch die Luft direkt auf dessen Kehle zu. Instinktiv riss der Henker den Knüppel nach oben und leitete die Schneide so zur Seite. Das Lärchenholz splitterte, aber es brach nicht.
Jakob Kuisl rammte dem Teufel seinen Ellbogen in den Magen, so dass dieser erschrocken aufkeuchte, dann rannte er hinüber zur gegenüberliegenden Wand. Sie hatten die Seiten getauscht. Schatten tanzten über die Wände,Laterne und Fackel tauchten die Kammer in einen rötlich flackernden Schein.
Fast lustvoll stöhnend krümmte sich der Söldner und hielt die Schwerthand über seinen Bauch. Trotzdem ließ er den Henker keine Sekunde aus den Augen, der den Moment nutzte, um nach seiner Wunde zu sehen. Ein breiter Schnitt klaffte im Wams auf Höhe des linken Oberarms. Blut quoll daraus hervor. Doch die Wunde schien nicht tief zu sein. Kuisl ballte seine Faust und bewegte die Schulter, bis er einen stechenden Schmerz fühlte. Schmerzen waren gut; sie bedeuteten, dass sein Arm noch funktionierte.
Erst jetzt hatte Jakob Kuisl Zeit, sich die Knochenhand seines Gegners, die ihm schon in Magdeburg aufgefallen war, genauer zu betrachten. Sie schien tatsächlich aus einzelnen knöchernen
Weitere Kostenlose Bücher