Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
tranige Licht erschien Simon nach der Dunkelheit wie der helle Tag. Er sah sich in der Kammer um.
    Der Raum unterschied sich nicht groß von den vorherigen. Er konnte das Loch erkennen, aus dem er gefallen war. An den Wänden befanden sich Nischen, die wie steinerne Sessel aussahen. Auch kleinere Mulden für Kerzen oder Ähnliches gab es; darüber waren von Kinderhand alchimistische Zeichen und Kritzeleien geschmiert. In einer bankähnlichen, länglichen Nische lag Clara. Das Mädchen atmete heftig und sah blass aus. Als Simon ihr die Hand auf die Stirn legte, spürte er, dass sie glühend heiß war.
    Jetzt erst sah er den Henker, der sich neben der schlafenden Clara an die steinerne Bank gelehnt hatte. Gerade eben riss er mit den Zähnen ein Stück seines Mantels in Streifen und verband damit seine breite Brust. Auch an der Schulter leuchtete es nass und rot. Als er Simons besorgten Blick sah, grinste er nur.
    »Spar dir die Tränen, Quacksalber. Noch ist der Kuisl nicht tot, das haben schon andere versucht.« Er deutete nach hinten. »Hilf lieber der Sophie, den Gang frei zu räumen. «
    Simon sah sich um. Sophie war verschwunden. Erst auf den zweiten Blick bemerkte er, dass von einer der hinteren Nischen noch ein Gang wegging. Er endete nach wenigen Schritten vor einem Steinhaufen. Sophie schleppte die Steine bereits mühsam nach draußen. An einer Stelle des Haufens war ein faustgroßes Loch zu sehen, aus demer einen Luftzug zu spüren glaubte. Wo würde dieser Gang hinführen?
    Während er Sophie half, die Steine wegzutragen, sagte er zu ihr: »Der Mann, der uns hier unten auflauert, das ist der Mann, der auch euch verfolgt hat, nicht wahr?«
    Sophie nickte.
    »Er hat die anderen umgebracht, weil wir die Männer oben auf der Baustelle gesehen haben«, flüsterte sie. »Und jetzt will er auch uns noch umbringen.«
    »Was habt ihr gesehen?«
    Sophie blieb im Gang stehen und sah ihn an. Der Schein der Kerze war so schwach, dass er nicht sehen konnte, ob sie weinte.
    »Das hier war unser geheimer Ort«, begann sie. »Niemand wusste davon. Hier haben wir uns getroffen, wenn die anderen Kinder mal wieder über uns hergefallen sind. Hier waren wir sicher. In dieser einen Nacht sind wir über die Stadtmauer, um uns im Brunnen zu treffen.«
    »Warum?«, hakte Simon nach.
    Sophie ging nicht auf ihn ein.
    »Wir haben uns hier unten verabredet. Plötzlich waren Stimmen zu hören. Als wir herausgekrochen sind, haben wir gesehen, wie ein Mann vier anderen Männern Geld gegeben hat. Ein kleines Säckchen war’s. Und wir haben gehört, was er gesagt hat. «
    »Was hat er gesagt?«
    »Dass die Männer die Baustelle zerstören sollen. Und wenn die Schongauer Handwerker sie wieder aufbauen, dann sollen sie sie wieder zerstören, immer wieder, bis er sagt, dass es reicht. Aber dann ...«
    Ihre Stimme stockte.
    »Was war dann?«, fragte Simon.
    »Dann hat der Anton einen Steinhaufen umgeschmissen,und sie haben uns entdeckt. Und dann sind wir weggelaufen, und den Peter, den hab ich hinter mir schreien hören. Aber ich bin weitergelaufen, immer weiter, bis zur Stadtmauer. O Gott, wir hätten ihm helfen sollen, wir haben ihn allein gelassen ... « Sie begann wieder zu weinen. Simon streichelte ihr über die staubigen Haare, bis sie sich beruhigt hatte.
    Sein Mund war trocken, als er schließlich fragte: »Sophie, das ist jetzt wichtig. Wer war der Mann, der den anderen das Geld gegeben hat? «
    Sophie weinte tonlos weiter. Simon spürte die nassen Tränen auf ihrem Gesicht. Trotzdem hakte er nach. »Wer war der Mann?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Simon glaubte zunächst, nicht richtig verstanden zu haben. Erst allmählich sickerte die Erkenntnis in ihn ein. »Du ... du weißt es nicht?«
    Sophie zuckte mit den Schultern.
    »Es war dunkel. Wir haben die Stimmen gehört. Und ich hab den Teufel unter den Männern erkannt, weil er so ein rotes Wams getragen hat und wir seine Knochenhand gesehen haben. Aber den anderen, der ihm das Geld gegeben hat, den haben wir nicht erkannt.«
    Simon musste beinahe lachen.
    »Aber ... aber dann war ja alles für die Katz. Die ganzen Morde, euer Versteckspiel ... Ihr habt den Mann gar nicht erkannt! Nur er hat gedacht, ihr hättet ihn gesehen! All das wäre gar nicht nötig gewesen. So viel Blut, umsonst ... «
    Sophie nickte.
    »Ich dachte, alles ist ein böser Traum, der vorübergeht. Aber als ich den Teufel in der Stadt gesehen habe, und als dann der kleine Anton tot war, da wusste ich, er wird

Weitere Kostenlose Bücher