Die Henkerstochter
Fingergliedern zu bestehen, die mit Kupferdraht verbunden waren. An der Innenseite befand sich ein metallener Ring, in dem die brennende Fackel steckte und sanft hin und her schaukelte. Der Henker vermutete, dass man an diesen Ring auch andere Gegenstände hängen konnte. Er kannte aus dem Krieg verschiedene Prothesen; die meisten waren aus Holz und ziemlich grob geschnitzt. Eine mechanische Knochenhand wie diese hatte er noch nie gesehen.
Der Teufel schien seinen Blick bemerkt zu haben.
»Du magst mein Händchen, hm?«, fragte er und schwenkte die Hand samt Fackel hin und her. »Ich auch. Es sind meine eigenen Knochen, weißt du? Eine Flintenkugel hat mir den linken Arm zerschmettert. Als die Wunde brandig wurde, mussten sie mir die Hand abnehmen. Aus den Knochen habe ich mir diese hübsche Erinnerung machen lassen. Du siehst, sie erfüllt durchaus ihren Zweck.«
Er hielt die Hand nach oben, so dass der Fackelscheinsein fahles Gesicht beleuchtete. Der Henker dachte daran, wie sich der Söldner vorher im Schacht an der Decke versteckt hatte. Erst jetzt wurde ihm klar: Der Mann musste sich allein mit seiner gesunden Hand hochgezogen haben! Was für Kräfte schlummerten in diesem Körper? Er hatte nicht den geringsten Hauch einer Chance. Wo blieb nur Simon, verdammt!
Um Zeit zu schinden, fragte er weiter.
»Ihr habt’s den Auftrag erhalten, die Baustelle zu sabotieren, nicht wahr? Aber die Kinder haben euch dabei gesehen, und deshalb mussten sie sterben.«
Der Teufel schüttelte den Kopf.
»Nicht ganz, Henker. Die Kinder hatten Pech. Sie hatten sich hier versteckt, als wir den Auftrag und den ersten Teil unseres Geldes bekamen. Der Pfeffersack hatte Angst, dass sie ihn erkannt haben könnten. Er hat uns den Auftrag gegeben, die Kinder zum Schweigen zu bringen.«
Der Henker zuckte unmerklich zusammen.
Die Kinder kannten den Auftraggeber! Sie wussten, wer hinter all dem steckte!
Kein Wunder, dass sie sich nicht in die Stadt getraut hatten. Es musste ein sehr mächtiger Mann sein, jemand, den sie kannten und von dem sie wussten, dass man ihm mehr glauben würde als ihnen. Jemand, dessen Ruf auf dem Spiel stand.
Zeit. Er brauchte mehr Zeit.
»Der Brand am Stadl, das war reine Ablenkung, nicht wahr?«, hakte er nach. »Deine Freunde haben ein bisserl gezündelt, während du in die Stadt geschlichen bist, um dir die Clara zu holen ...«
Der Teufel zuckte mit den Schultern.
»Wie hätte ich sonst an sie herankommen sollen? Ich hatte mich vorher umgehört. Die Jungen waren einfach;die trieben sich ja draußen herum, die kleinen Fratzen. Und dieses rothaarige Mädchen hätte ich früher oder später auch gekriegt. Aber die kleine Clara war krank, hatte sich beim Herumspionieren verkühlt, das kleine Ding, und musste drinnen bleiben ... «
Er schüttelte mitleidig den Kopf, bevor er weitersprach.
»Also musste ich mir etwas einfallen lassen, damit die liebe Familie Schreevogl ihr Mündel zu Hause alleine lässt. Mir war klar, dass dieser Patrizier Waren unten im Stadl gelagert hatte. Und als der brannte, ist er ja dann auch sofort brav samt Dienerschaft runtergerannt. Leider ist mir die Kleine dann noch entwischt, aber jetzt hol ich sie mir. Das heißt ... wenn ich mit dir fertig bin.«
Er täuschte eine Bewegung mit dem Säbel an, blieb aber stehen, wo er war. So als würde er noch einen schwachen Punkt seines Gegners ausspähen wollen.
»Und die Hexenzeichen? Was sollte das?«, fragte Kuisl langsam weiter, ohne seinen Platz vor dem Ausgang zu verlassen. Er musste den anderen bei Laune halten. Reden, reden, immer weiter reden, bis Simon endlich zu Hilfe kam.
Über das Gesicht des Teufels huschte ein Schatten von Verwirrung.
»Hexenzeichen? Was für verdammte Hexenzeichen? Red keinen Unsinn, Henker.«
Der Henker stutzte, ließ sich aber nichts anmerken. Konnte es sein, dass die Söldner gar nichts mit den Zeichen zu tun hatten? Waren sie die ganze Zeit einer falschen Spur gefolgt? Hatte die Stechlin doch Zauberei mit den Kindern getrieben?
Hatte die Hebamme ihn angelogen?
Jakob Kuisl fragte trotzdem weiter.
»Die Kinder hatten ein Mal auf der Schulter. Ein Zeichen,wie’s auch die Hexen verwenden. Habt ihr ihnen das aufgemalt?«
Kurz herrschte Stille. Dann fing der Teufel schrill zu lachen an.
»Jetzt verstehe ich!«, prustete er. »Deshalb habt ihr die Hex eingesperrt! Deshalb hat keiner nach uns gesucht! Weil ihr geglaubt habt, da wär Zauberei im Spiel! Was seid ihr Pfeffersäcke doch für ein
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