Die Henkerstochter
sehen, wohin die Männer sie trugen. Wie ein totes Stück Vieh baumelte sie über der Schulter des einen Söldners. Zu allem Überfluss ließ sie das monotone Geschaukel seekrank werden. Ihr war speiübel.
Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, war, dass sie am Morgen durch das Kuehtor die Stadt verlassen hatte. Wo war sie vorher gewesen? Sie hatte irgendetwas ... gesucht. Aber was?
Die Kopfschmerzen kamen wieder zurück. Sie hatte das Gefühl, dass die Erinnerung direkt unter ihrer Schädeldecke saß, aber jedes Mal, wenn sie etwas davon hervorkramen wollte, trafen sie die Kopfschmerzen wie ein Hammer auf die Stirn.
Als sie das letzte Mal aufgewacht war, hatte sich der Mann, den ihr Vater den Teufel nannte, über sie gebeugt. Sie waren in irgendeiner Scheune, es roch nach Stroh undHeu. Der Mann legte ihr ein Stück Moos auf die Stirn, um die Blutung zu stoppen, und fuhr mit seiner linken, merkwürdig kalten Hand langsam über ihr Kleid. Sie stellte sich ohnmächtig, trotzdem waren die Worte des Söldners gut zu verstehen. Er hatte sich zu ihr hinuntergebeugt und ihr ins Ohr geflüstert:
»Schlaf nur, kleine Magdalena. Wenn ich zurückkomme, wirst du beten, dass dies alles nur ein Traum ist … Schlaf, so lange du noch kannst «
Vor Angst hatte sie fast aufgeschrien, trotzdem war es ihr gelungen, weiter die Ohnmächtige zu spielen. Sie hielt die Augen fest geschlossen. Vielleicht hatte sie so eine Chance zu fliehen?
Ihre Hoffnung verflog, als der Teufel sie fesselte und knebelte und ihr schließlich auch noch die Augen verband. Offenbar wollte er in jedem Fall vermeiden, dass sie aufwachte und sah, wohin er sie brachte. Auf seinem Rücken war es eine Zeit lang durch den Wald gegangen. Sie roch die Kiefern und Tannen und hörte ein Käuzchen schreien. Wie spät mochte es sein? Die Kühle der Luft und der Schrei des Käuzchens ließen sie vermuten, dass es Nacht war. Hatte nicht vor ihrer Gefangennahme die Morgensonne geschienen? Sollte sie einen ganzen Tag lang ohnmächtig gewesen sein?
Oder vielleicht noch länger?
Panik war in ihr aufgestiegen. Sie versuchte ruhig zu bleiben und nicht zu zittern. Der Mann, der sie trug, durfte nicht merken, dass sie wach war.
Schließlich wurde sie unsanft auf den Waldboden geworfen. Nach einer Weile erklangen Stimmen von Männern, die näher kamen.
»Hier ist das Mädchen«, sagte der Teufel. »Bringt sie zum vereinbarten Treffpunkt und wartet dort auf mich.«
Jemand hatte ihr mit einem Ast oder etwas Ähnlichem über das Kleid gestrichen und es hochgeschoben. Sie rührte sich nicht.
»Mmmhhh, sieht appetitlich aus, dein Mädchen«, ertönte eine Stimme direkt über ihr. »Eine Henkersdirn also? Und die Gespielin von diesem dürren Quacksalber ... Ha, die wird sich freuen, wenn sie es mal mit echten Männern zu tun bekommt!«
»Ihr lasst sie in Ruhe, verstanden«, drohte der Teufel. »Sie gehört mir. Sie ist meine ganz persönliche Rache an ihrem Vater.«
»Ihr Vater hat den André totgemacht«, erklang eine weitere tiefe Stimme. »Ich hab den André fünf Jahre gekannt, ein guter Freund ... Ich will auch meinen Spaß mit ihr.«
»Genau«, meldete sich wieder der andere. »Du schlitzt sie doch ohnehin auf. Also, warum sollen wir uns vorher nicht ein wenig amüsieren dürfen? Wir haben genauso ein Recht, uns an diesem Sauhund von Henker zu rächen!«
Die Stimme des Teufels bekam einen drohenden Unterton.
»Ich sage, ihr lasst sie in Ruhe. Wenn ich zurückkomme, dann werden wir alle unseren Spaß haben, versprochen. Aber bis dahin, Finger weg! Sie könnte noch etwas wissen, was ich aus ihr herauskitzeln möchte. Wir sehen uns spätestens bei Morgengrauen am verabredeten Ort. Und jetzt packt euch!«
Schritte knisterten über den Waldboden und wurden leiser. Der Teufel war verschwunden.
»Verrückter Hund«, murmelte einer der Söldner. »Ich weiß nicht, warum ich mir das immer wieder bieten lass.«
»Weil du Angst hast, darum!«, sagte der andere. »Weil du fürchtest, dass er dich genauso zurichtet wie den StetthoferSepp oder den Landsberger Martin! Gott erbarme sich ihrer schwarzen Seelen ... Alle haben wir Angst!«
»Pah, Angst«, rief der Erste. »Ich sag dir, was wir machen, Hans. Wir nehmen uns das Mädchen und dann geht’s auf und davon. Lass den Braunschweiger doch allein nach diesem gottverdammten Schatz wühlen!«
»Und wenn er ihn doch findet, was dann, hä? Lass uns noch bis zum Morgengrauen bleiben. Was haben wir zu verlieren? Wenn er nicht
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