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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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unsjagen, egal, was wir gesehen haben. Da hab ich mich hier versteckt. Als ich ankam, war die Clara schon da. Der Teufel hat sie fast erwischt gehabt.«
    Wieder fing sie zu weinen an. Simon versuchte sich vorzustellen, was dieses zwölfjährige Mädchen in den letzten Tagen durchgemacht hatte. Es gelang ihm nicht. Hilflos tätschelte er ihre Wange.
    »Es ist bald vorüber, Sophie. Wir holen euch hier raus. Und dann klärt sich alles auf. Wir müssen nur noch ... «
    Er wollte weitersprechen, doch ein feiner, beißender Geruch stieg in seine Nase und ließ ihn innehalten.
    Es war der Geruch von Rauch. Und er wurde stärker.
    Jetzt war irgendwo über ihnen eine Stimme zu hören. Sie klang heiser und schrill.
    »Henker, hörst du mich? Ich bin noch nicht tot! Und du? Ich hab hier oben ein hübsches Feuerchen gemacht. Das Öl deiner Lampe und ein paar feuchte Balken machen einen gewaltigen Rauch, findest du nicht?« Der Mann über ihnen hustete künstlich. »Jetzt muss ich nur noch warten, bis ihr wie die Ratten aus dem Loch gekrochen kommt. Ihr könnt natürlich auch dort unten ersticken. Was ist euch lieber?«
    Jakob Kuisl war in der Zwischenzeit zu ihnen in den Gang gekommen. Schmutzige Streifen seines Mantelstoffs waren um seinen Oberkörper gespannt. Simon konnte kein Blut mehr erkennen. Der Henker legte den Finger vor den Mund.
    »Weißt du was, Henkerlein? «, ertönte die Stimme von neuem und irgendwie näher. »Ich hab’s mir überlegt. Ich komm jetzt doch runter zu euch. Rauch hin oder her, das lass ich mir nicht entgehen ...«
    »Beeilt euch«, zischte Kuisl. »Ich geh ihm entgegen. Simon, du musst die Clara tragen. Wenn ihr den Gang nichtbald freilegen könnt oder er in eine Sackgasse führt, dann kommt mir nach.«
    »Aber der Teufel ...?«, begann Simon.
    Der Henker hievte sich schon in das Loch, das aus der Kammer herausführte.
    »Den stoß ich zurück in die Hölle. Endgültig.« Dann war er im Schacht verschwunden.
     
    Magdalena lag am Boden und konnte sich nicht rühren. Ihre Augen waren immer noch verbunden, der Knebel ließ ihr kaum Luft zum Atmen. Ein feiner Geruch von Verwesung drang ihr in die Nase. In regelmäßigen Abständen quietschte etwas. Sie wusste, dass es die Kette war, an der der Erhängte baumelte. Ihr Vater hatte immer dafür gesorgt, dass die Ketten gut geölt waren, aber nach mehreren Monaten bei Wind, Schnee und Regen war auch eine gut geölte Kette irgendwann einmal verrostet.
    Der Brandner Georg, dessen Überreste dort oben den Raben zum Fraß dienten, war einer von vielen Räuberhauptleuten in der Gegend gewesen. Ende Januar war seine Bande den Bütteln des Landgrafen endlich ins Netz gegangen. Die Räuber hatten sich mit ihrer Brut, den Frauen und Kindern, in einer Höhle im Ammertal verschanzt. Nach dreitägiger Belagerung hatten sie schließlich aufgegeben. Mit den Bütteln hatten sie den freien Abzug ihrer Familien ausgehandelt, dafür traten sie ohne Gegenwehr vor den Richter. Den jungen Räubern, allesamt noch Kinder, schlug man die rechte Hand ab und verwies sie des Landes. Die vier Haupttäter wurden auf dem Schongauer Galgenbichl gehängt. Viel Publikum war nicht anwesend. Dafür war es zu kalt; der Schnee lag kniehoch. So lief die Hinrichtung recht würdevoll ab. Kein Werfen mit faulem Obst, nur wenige Schmährufe. MagdalenasVater ließ die Männer der Reihe nach auf eine Leiter steigen, legte ihnen den Strick um den Hals und zog die Leiter weg. Die Räuber zappelten ein wenig mit den Füßen und pissten sich in die Hosen, dann war es vorbei. Drei der Männer durften von ihren Familien abgehängt und mit nach Hause genommen werden. Nur den Brandner ließ man als Abschreckung in Ketten geschnürt hängen. Das war nun fast ein viertel Jahr her. Die Kälte hatte ihn zunächst gut konserviert. Doch mittlerweile war das rechte Bein abgefallen, und auch der Rest hatte nicht mehr viel Menschenähnliches.
    Wenigstens hatte der Räuberhauptmann im Moment seines Todes einen wunderbaren Ausblick gehabt. Der Galgenbichl war ein Hügel nördlich der Stadt, von dem aus man bei schönem Wetter einen großen Teil der Alpen überblicken konnte. Er lag einsam zwischen Äckern und Wäldern, so dass alle Reisenden von weit her sehen konnten, wie die Stadt Schongau mit Straßenräubern verfuhr. Die Überreste eines Räuberhauptmanns waren eine ausgezeichnete Abschreckung für weiteres Gesindel.
    Magdalena spürte, wie der Wind hier oben an ihren Kleidern zerrte. Nicht weit entfernt hörte

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