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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Bücher vom Tisch zusammen und schlug die Tür hinter sich zu.
    »Geh nur zum Kuisl! «, rief ihm sein Vater hinterher. »Wirst schon sehen, was du davon hast!«
    Bonifaz Fronwieser bückte sich und hob die Scherben des Bechers auf. Mit einem lauten Fluch warf er sie durchs offene Fenster hinaus auf die Straße, seinem Sohn hinterher.
     
    Blind vor Zorn eilte Simon durch die Gassen. Sein Vater war so ... so ... sturköpfig! Er konnte den Alten sogar verstehen, schließlich ging es um die Zukunft seines Sohnes, um Studium, eine gute Frau, Kinder. Doch schon die Universität war nicht das Richtige für Simon gewesen. Verstaubtes, auswendig gelerntes Wissen, das sich zum Teil noch auf die griechischen und römischen Gelehrten stützte. Eigentlich war sein Vater über Purgieren, Bandagieren und Aderlass nie hinausgekommen. Im Hause des Scharfrichters dagegen wehte ein frischer Wind, Jakob Kuisl besaß das Opus Paramirum von Paracelsus und auch das Paragranum . Bibliophile Kostbarkeiten, die Simon sich gelegentlich ausleihen durfte.
    Als er in die Lechtorstraße bog, prallte er mit einem Haufen Kinder zusammen, die in einer Gruppe zusammenstanden. Aus der Mitte des Knäuels drang lautes Gejohle. Simon stellte sich auf die Zehen und konnte einen großen, breit gebauten Jungen erkennen, der über einem Mädchen saß. Mit den Knien hielt er es am Boden fest, während er mit der rechten Faust immer wieder auf sein Opfer eindrosch. Blut floss aus den Mundwinkeln des Mädchens, das rechte Auge war bereits zugeschwollen. Die Traube von Kindern und Jugendlichen begleitete jedenHieb mit Anfeuerungsrufen. Simon schob die johlende Meute zur Seite, packte den Jungen bei den Haaren und zerrte ihn von der Kleinen herunter.
    »Feiges Pack!«, rief er. »Ein Mädchen anzugreifen, schleicht’s euch!«
    Die Menge wich nur widerwillig um ein paar Meter. Das Mädchen am Boden setzte sich auf und wischte sich die mit Mist verklebten Haare aus dem Gesicht. Seine Augen blickten lauernd umher, als suchte es eine Lücke zwischen den Kindern, durch die es entwischen könnte.
    Der große Junge baute sich vor Simon auf. Er war um die fünfzehn und überragte den Medicus um einen halben Kopf. Simon erkannte ihn. Es war Hannes, der Sohn vom Berchtholdt, den Bäcker in der Weinstraße.
    »Mischt Euch nicht ein, Medicus«, drohte er. »Das ist unsere Sach.«
    »Wenn ihr einem kleinen Mädchen die Zähne ausschlagt, ist das auch meine Sache«, entgegnete Simon. »Schließlich bin ich, wie du selbst sagst, der Medicus und muss taxieren, was dich der Spaß kostet.«
    »Mich was kosten?« Hannes zog seine Stirn in Falten. Er war nicht der Hellste.
    »Na, wenn du dem Mädchen einen Schaden zufügst, musst du auch dafür aufkommen. Und Zeugen haben wir ja genug, oder?«
    Hannes’ Blick irrte unsicher zu seinen Kameraden. Ein paar hatten bereits das Weite gesucht.
    »Die Sophie ist eine Hex! «, mischte sich jetzt ein anderer Junge ein. »Sie hat rotes Haar, außerdem war sie mit der Stechlin immer zusammen, genauso wie der Peter, und der ist jetzt tot! « Die anderen murrten zustimmend.
    Simon zuckte innerlich zusammen. Es fing an. Jetzt schon. Schon bald würde Schongau nur noch aus Hexenbestehen, und aus denjenigen, die mit dem Finger auf sie zeigten.
    »Unsinn«, rief er. »Wenn sie eine Hexe wär, warum würde sie sich dann von euch zusammenschlagen lassen? Dann wär sie doch schon mit dem Besen auf und davon. Und jetzt packt euch!«
    Widerwillig zog die Bande ab, nicht ohne Simon noch den einen oder anderen drohenden Blick zuzuwerfen. Als sich die Jungen einen Steinwurf entfernt hatten, hörte er sie rufen: »Der steigt mit der Henkerin ins Bett!«
    »Hoffentlich legt’s ihm einen Strick um den Hals!«
    »Den kann’s schwer um einen Kopf kürzer machen, der ist schon so kurz!«
    Simon seufzte. Seine noch zarte Beziehung zu Magdalena war kein Geheimnis mehr. Sein Vater hatte recht, die Leute redeten.
    Er beugte sich zu dem Mädchen hinunter, um ihm aufzuhelfen.
    »Stimmt das, dass du mit dem Peter immer bei der Stechlin warst?«, fragte er.
    Sophie wischte sich das Blut von den Lippen. Ihre langen, roten Haare starrten vor Staub. Simon schätzte sie auf ungefähr zwölf Jahre. Unter einer Schicht aus Dreck blickte ihn ein aufgewecktes Gesicht an. Der Medicus glaubte sich zu erinnern, dass sie aus einer Gerberfamilie vom Lechviertel unten stammte. Ihre Eltern waren bei der letzten Pest gestorben, eine andere Gerberfamilie hatte sie aufgenommen.
    Das

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