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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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einen Unfall. Auf dem Weg hierher.«
    Der Henker winkte ab, dann reichte er Simon die Linse und deutete auf das gelbe Häuflein auf dem Pergament.
    »Kannst dir gleich mal das anschauen. Was glaubst, was das ist?«
    Simon beugte sich mit dem Monokel über die Körnchen.
    »Das ... das ist faszinierend! Ich habe noch nie eine so perfekte Linse ... «
    »Was die Körnchen sind, will ich wissen.«
    »Nun, vom Geruch her würde ich sagen Schwefel.«
    »Hab ich neben einem Haufen Lehm in der Tasche vom kleinen Grimmer gefunden.«
    Simon nahm abrupt das Monokel herunter und blickte den Henker an.
    »Beim Peter? Aber wie kommt der Schwefel in seine Tasche? «
    »Das möcht ich auch wissen.«
    Jakob Kuisl griff nach seiner Pfeife und begann sie zu stopfen. Währenddessen ging Simon in der kleinen Kammer auf und ab und berichtete von seiner Begegnung mit dem Waisenmädchen. Gelegentlich brummte Kuisl, ansonsten war er voll und ganz mit Stopfen und Anzünden beschäftigt. Als Simon mit seiner Geschichte zum Ende kam, war der Henker bereits in Tabaksdampf gehüllt.
    »Ich hab die Stechlin besucht«, sagte er schließlich. »Die Kinder waren tatsächlich bei ihr. Außerdem fehlt eine Alraune.«
    »Eine Alraune?«
    »Ein Zauberkraut.«
    Jakob Kuisl berichtete in knappen Worten von seinem Treffen mit der Hebamme und von dem Chaos in ihrem Haus. Dabei machte er immer wieder lange Pausen, in denen er an seiner Pfeife sog. Simon hatte währenddessen auf einem Holzschemel Platz genommen und rutschte unruhig hin und her.
    »Ich verstehe das alles nicht«, sagte der junge Medicus schließlich. »Wir haben einen toten Jungen mit einem Hexenzeichen auf der Schulter und Schwefel in der Tasche. Wir haben eine Hebamme als Hauptverdächtige, der man eine Alraune gestohlen hat. Und wir haben eine Bande von Waisenkindern, die mehr wissen, als sie zugeben. Das macht doch alles keinen Sinn!«
    »Wir haben vor allem sehr wenig Zeit«, murmelte derHenker. »In ein paar Tagen schon kommt der kurfürstliche Pfleger. Bis dahin muss ich aus der Stechlin eine Schuldige gemacht haben, sonst rückt mir der Rat auf den Pelz.«
    »Und wenn Ihr Euch einfach weigert?«, fragte Simon. »Keiner kann von Euch verlangen ...«
    Kuisl schüttelte den Kopf. »Dann schicken sie einen anderen, und ich kann mir eine neue Arbeit suchen. Nein, es muss so gehen. Wir müssen den wahren Mörder finden, und zwar bald.«
    »Wir? «
    Der Henker nickte. »Ich brauch deine Hilfe. Mit mir mag doch keiner reden. Die hohen Herren rümpfen die Nase, sobald sie mich von weitem sehen. Wobei ... «, fügte er lächelnd hinzu. »Jetzt würden sie auch bei dir die Nase rümpfen.«
    Simon blickte an seinem fleckigen, stinkenden Wams herunter. Noch immer war es mit braunen Sprenkeln verziert, ein Riss ging in Kniehöhe über das linke Hosenbein. Ein welkes Salatblatt hing ihm am Hut. Von den getrockneten Blutflecken auf seinem Rock ganz zu schweigen … Er würde eine neue Garderobe brauchen, und er hatte keine Ahnung, woher er das Geld nehmen sollte. Vielleicht würde der Rat bei Ergreifung des Mörders ja ein paar Gulden springen lassen.
    Simon dachte über den Vorschlag des Henkers nach. Was konnte er schon groß verlieren? Seinen Ruf jedenfalls nicht mehr, der war bereits hinüber. Und wenn er sich auch in Zukunft mit Magdalena treffen wollte, war es nur von Vorteil, sich gut mit ihrem Vater zu stellen. Außerdem waren da noch die Bücher. Gerade jetzt lag auf dem Tisch neben dem Monokel ein zerschlissenes Werk des Jesuiten Athanasius Kirchner, der von winzigen Würmern im Blutberichtete. Der Mönch hatte mit einem sogenannten Mikroskop gearbeitet, das um ein Vielfaches mehr vergrößern konnte, als es vermutlich Kuisls Monokel tat. Die Aussicht, allein dieses Buch bei einer heißen Tasse Kaffee zu Hause im Bett zu lesen …
    Simon nickte. »Gut, Ihr könnt auf mich zählen. Übrigens, das Buch auf dem ... «
    Der Arztsohn kam nicht mehr dazu, seinen Wunsch zu äußern. Die Tür flog auf, in den Raum stolperte der Stadtknecht Andreas und rang nach Luft.
    »Entschuldigt die späte Störung«, keuchte er. »Aber es ist dringend. Man hat mir gesagt, dass ich den Fronwiesersohn hier finde. Euer Vater braucht Hilfe!«
    Andreas war käseweiß im Gesicht. Er sah aus, als hätte er den Leibhaftigen persönlich gesehen.
    »Was um alles in der Welt ist denn so dringend?«, fragte Simon. Insgeheim überlegte er, wer ihn ins Scharfrichterhaus hatte hineingehen sehen. Es schien, als könnte man in

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