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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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ihm die schreckliche Geschichte nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wer konnte so etwas tun? Und dann dieses Zeichen …
    Mit einem Krachen flog die Tür auf, und sein Vater betrat die Stube. Simon wusste sofort, dass es Ärger geben würde.
    »Du warst gestern wieder unten beim Scharfrichter. Hast dem Quacksalber die Leiche vom kleinen Grimmer gezeigt. Gib’s zu! Der Gerber-Hannes hat’s mir erzählt. Und mit der Magdalena hast du auch rumpoussiert! «
    Simon schloss die Augen. Tatsächlich hatte er sich gestern mit Magdalena noch unten am Fluss getroffen. Sie waren spazieren gegangen. Er hatte sich benommen wie ein Idiot, hatte ihr nicht in die Augen blicken können und ständig nur Kieselsteine in den Lech geworfen. Außerdem hatte er ihr alles erzählt, was ihm seit dem Tod des Grimmerjungen durch den Kopf gegangen war. Dass er nicht an die Schuld von der Stechlin glaube, dass er Angst habe vor einem neuen Hexenprozess wie vor siebzig Jahren …Er hatte gebrabbelt wie ein Sechsjähriger, dabei wollte er ihr eigentlich doch nur sagen, dass er sie mochte. Irgendjemand musste sie beobachtet haben. In dieser verdammten Stadt war man nie allein.
    »Kann schon sein. Was schert’s dich?« Simon goss sich seinen Kaffee ein. Er vermied es, seinem Vater in die Augen zu blicken.
    »Was mich das schert? Bist du wahnsinnig!« Bonifaz Fronwieser war wie sein Sohn ein klein gewachsener Mann. Doch wie viele kleine Männer konnte er sehr wütend werden. Die Augen traten hervor, die Bartspitzen seines bereits grauen Knebelbarts zitterten.
    »Ich bin immer noch dein Vater!«, schrie er. »Siehst du nicht, was du anrichtest? Jahrelang hab ich gebraucht, um uns das hier aufzubauen. Du könntest es so einfach haben! Du könntest der erste richtige Arzt in dieser Stadt werden! Und dann verdirbst du alles, indem du dich mit diesem Henkersluder triffst und bei ihrem Vater ein und aus gehst! Die Leute tratschen, merkst du das denn nicht?«
    Simon blickte nach oben an die Decke und ließ die Litanei über sich ergehen. Er kannte sie mittlerweile auswendig. Sein Vater hatte sich als kleiner Feldchirurg im Krieg durchgeschlagen, wo er auch Simons Mutter, eine einfache Marketenderin, kennen gelernt hatte. Als seine Mutter an der Pest starb, war Simon sieben Jahre alt gewesen. Ein paar Jahre lang waren Vater und Sohn noch den Soldaten hinterhergezogen, hatten Schusswunden mit siedendem Öl ausgebrannt und Beine mit der Knochensäge amputiert. Als der Krieg aus war, waren sie über die Lande gezogen auf der Suche nach einer Bleibe. Hier in Schongau hatte man sie schließlich aufgenommen. In den letzten Jahren hatte sich sein Vater mit Fleiß und Ehrgeizzum Bader und schließlich zu einer Art Stadtarzt hochgedient. Doch ihm fehlte das Studium. Vom Stadtrat war er deshalb nur geduldet, vor allem deshalb, weil der hiesige Bader nichts taugte und Ärzte aus dem fernen München oder Augsburg zu teuer waren.
    Bonifaz Fronwieser hatte seinen Sohn zum Studium nach Ingolstadt geschickt. Doch das Geld war ausgegangen, und Simon musste wieder zurück nach Schongau. Seitdem sparte der Vater jeden Pfennig und beäugte argwöhnisch seinen Sprössling, den er für einen Stutzer und Leichtfuß hielt.
    »... während andere sich in die richtigen Mädchen vergucken. Der Joseph zum Beispiel, der macht der Tochter vom Holzhofer Avancen. Das ist eine Partie! Der bringt’s noch mal zu was. Aber du ...! «, beendete sein Vater seine Rede. Simon hörte schon länger nicht mehr zu. Er schlürfte seinen Kaffee und dachte an Magdalena. Ihre schwarzen Augen, die immer zu lächeln schienen, die breiten Lippen, die gestern feucht waren von Rotwein, den sie in einer Lederflasche zum Fluss mitgenommen hatten. Tropfen waren auf ihr Mieder gefallen, und er hatte ihr sein Tuch gegeben.
    »Schau mich an, wenn ich mit dir red! « Mit dem Handrücken verpasste ihm sein Vater eine schallende Maulschelle, dass der Kaffee im weiten Bogen durchs Zimmer spritzte. Klirrend fiel der Tonbecher zu Boden und zersprang. Simon rieb sich die Wange. Sein Vater stand schmächtig und zitternd vor ihm, Kaffeeflecken zierten sein ohnehin schon fleckiges Wams. Er wusste, dass er zu weit gegangen war. Sein Junge war keine zwölf mehr. Aber es war doch sein Junge, gemeinsam hatten sie schon so viel durchgemacht, er wollte doch nur sein Bestes …
    »Ich geh jetzt zum Henker«, flüsterte Simon. »Wenn dumich aufhalten willst, kannst mir ja dein Skalpell in den Bauch stoßen.« Dann raffte er ein paar

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