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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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dieser Stadt keinen Schritt unbeobachtet tun.
    »Der Sohn vom Krämer Kratz, er liegt im Sterben!«, brachte der Büttel Andreas mit letzter Kraft hervor. Seine Hand kroch immer wieder zu dem kleinen Holzkreuz, das um seinen Hals hing.
    Jakob Kuisl, der bislang schweigend zugehört hatte, wurde ungeduldig. Er schlug mit der Hand auf den klapprigen Holztisch, so dass Monokel und Athanasius’ Meisterwerk ein Stück in die Höhe hüpften. »Ein Unfall? Red doch endlich!«
    »Alles ist voller Blut! O Gott steh uns bei, er trägt das Zeichen! Genau wie beim Grimmer ...«
    Simon sprang vom Schemel hoch. Er merkte, wie Angst in ihm hochkroch.
    Kuisl blickte den Arztsohn zwischen Tabakwolkendurchdringend an. »Geh du ruhig hin. Ich werd nach der Stechlin sehen. Ich weiß nicht, ob sie im Kerker wirklich sicher ist. «
    Simon packte seinen Hut und rannte hinaus auf die Straße. Aus den Augenwinkeln sah er gerade noch Magdalena, die ihm verschlafen vom Dachfenster aus hinterherwinkte. Er hatte das Gefühl, dass sie in den nächsten Tagen nicht viel Zeit füreinander haben würden.
     
    Der Mann stand am Fenster, den Kopf nur eine Handbreit vom schweren, roten Tuch des Vorhangs entfernt. Draußen hatte die Dämmerung eingesetzt, aber im Grunde war das egal. Hier in diesem Zimmer herrschte immer Dämmerung, ein trübes, graues Zwielicht, in dem auch tagsüber die Sonne versickerte. Vor seinem inneren Auge sah der Mann die Sonne über der Stadt. Sie würde auf- und wieder untergehen, immer wieder, sie ließ sich nicht aufhalten. Der Mann würde sich ebenfalls nicht aufhalten lassen, auch wenn es zurzeit zu Verzögerungen kam. Diese Verzögerungen machten ihn ... ärgerlich. Er fuhr herum.
    »Was bist du nur für ein Mehlsack! Zu nichts zu gebrauchen! Warum kannst du nicht einmal etwas vernünftig zu Ende bringen?«
    »Ich bring’s zu Ende.«
    Im Zwielicht war eine zweite Gestalt zu erkennen. Sie saß am Tisch und bohrte mit einem Messer in der Pastete herum wie im Bauch eines geschlachteten Schweins.
    Der Mann am Fenster zog den Vorhang noch enger zu. Seine Finger krallten sich um den Stoff. Eine Woge von Schmerz überflutete ihn. Er hatte nicht mehr viel Zeit.
    »Das mit den Kindern war unnötig wie ein Kropf! Jetzt beginnt das Gerede erst.«
    »Es wird keiner reden, verlass dich auf mich.«
    »Ein paar Leute sind bereits misstrauisch geworden. Wir können nur hoffen, dass die Hebamme gesteht. Der Henker fängt bereits an, dumme Fragen zu stellen.«
    Die Gestalt am Tisch fuhr fort, die Pastete in einen Brei aus Fleisch und Teigkrümeln zu zerlegen. Hektisch fuhr das Messer auf und nieder.
    »Pah, der Henker! Wer glaubt schon dem Henker?« »Unterschätz den Kuisl nicht. Der ist schlau wie ein Fuchs ...«
    »Dann läuft das Füchslein eben in eine Schlinge.«
    Der Mann am Fenster eilte die paar Schritte zum Tisch und schlug mit dem Handrücken einmal fest zu. Der andere hielt sich kurz die Wange, dann sah er ängstlich lauernd in das Gesicht seines Peinigers. Er merkte, wie sein Gegenüber sich an den Unterleib griff und vor Schmerz keuchte.
    Ein leises Lächeln spielte über seine Lippen. Dieses Problem würde sich bald von selbst gelöst haben.
    »Du wirst jetzt mit diesem Unsinn aufhören«, murmelte der ältere Mann mit schmerzverzerrter Grimasse. Ein dumpfes Stechen pochte von innen an seine Bauchhöhle. Er beugte sich nach vorne über den Tisch.
    »Lass die Finger davon. Ich werde das jetzt selbst übernehmen.«
    »Ich kann nicht.«
    »Du kannst nicht ...?«
    »Ich habe die Sache jemand anders übergeben. Der lässt sich nicht mehr ins Handwerk pfuschen.«
    »Pfeif ihn zurück. Es reicht. Die Stechlin gesteht, und wir kommen an unser Geld.«
    Der alte Mann musste sich setzen. Nur eine kleine Pause. Das Sprechen fiel ihm schwer. Dieser verdammte Körper! Er brauchte ihn noch! Nicht mehr lange, nur solange, bis sie an das Geld kamen. Dann würde er beruhigt sterben können. Sein Lebenswerk war in Gefahr, und dieser Versager machte alles kaputt. Aber nicht, solange er selbst noch atmen konnte. Nicht solange …
    »Die Pastete ist ausgezeichnet. Magst du auch?«
    Der andere hatte mit dem Messer die auf dem Tisch verteilten Fleischbrocken aufgespießt und begann sie genüsslich zu verzehren.
    Mit letzter Kraft schüttelte der Alte den Kopf. Sein Gegenüber lächelte.
    »Bleib ruhig, alles wird gut. «
    Er wischte sich den Bratensaft aus dem Bart, nahm den Degen in die Hand und tänzelte zum Ausgang.
     
    Ohne auf den

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