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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Mädchen schwieg. Simon packte sie hart an der Schulter.
    »Ob du mit dem Peter bei der Stechlin warst, will ich wissen. Es ist wichtig!«, wiederholte er.
    »Kann schon sein«, murmelte sie.
    »Hast du den Peter denn noch gesehen am Abend?« »Die Stechlin kann nix dafür, so wahr mir Gott helfe.« »Wer dann?«
    »Der ... der Peter ist hernach noch zum Fluss runter … Allein.«
    »Warum?«
    Sophie presste ihre Lippen zusammen. Sie wich seinem Blick aus.
    »Warum, will ich wissen!«
    »Er hat gesagt, das ist ein Geheimnis. Er ... er wollte noch jemanden treffen.«
    »Wen, bei Gott?«
    »Hat er nicht gesagt.«
    Simon schüttelte Sophie. Er fühlte, dass das Mädchen ihm etwas verschwieg. Plötzlich riss es sich los und lief in die nächste Gasse.
    »Warte!«
    Simon rannte hinter ihr her. Sophie war barfuß unterwegs, ihre kleinen Füße huschten über den festgetretenen Lehmboden. Schon hatte sie die Zänkgasse erreicht und tauchte zwischen einigen Mägden hindurch, die mit vollgefüllten Körben vom Markt kamen. Als Simon an ihnen vorübereilte, blieb er an einem der Körbe hängen. Das Gefäß entglitt der Magd, und Rettich, Kohlköpfe und Karotten flogen in weitem Bogen auf die Straße. Hinter sich hörte Simon wütende Rufe, doch er konnte nicht anhalten, das Mädchen drohte ihm zu entkommen. Sophie war schnell, schon war sie hinter der nächsten Biegung verschwunden. Hier waren die Gassen weitaus weniger bevölkert. Simon hielt mit der einen Hand seinen Hut fest und setzte Sophie nach. Links ragten zwei Häuser mit ihren Dächern aneinander, dazwischen befand sich eine schmale, gerade mal schulterbreite Gasse, die RichtungStadtmauer führte. Auf dem Boden lagen Schutt und Gerümpel, am anderen Ende konnte Simon eine kleine Gestalt weglaufen sehen. Fluchend verabschiedete sich der Medicus von seinen mit Rindertalg eingefetteten Lederstiefeln und sprang über den ersten Schuttberg.
    Er landete direkt in einem Haufen Unrat, rutschte weg und plumpste mit dem Hosenboden in einen Berg aus Bauschutt, fauligem Gemüse und den Scherben eines weggeworfenen Nachttopfs. Fern verhallten Schritte. Simon richtete sich stöhnend auf, als ein Stockwerk weiter oben die ersten Fensterläden geöffnet wurden. Verdutzte Gesichter blickten auf einen ziemlich mitgenommenen Medicus, der mühsam Salatblätter von seinem Mantel pflückte.
    »Kümmert euch um euren eigenen Kram!«, schrie er nach oben. Dann humpelte er Richtung Lechtor.
     
    Der Henker blickte durch das Glas auf einen Haufen gelber Sterne, die im Schein der Talgkerze glitzerten. Kristalle wie aus Schnee, jedes für sich perfekt in seiner Form und Ausrichtung. Jakob Kuisl lächelte. Wenn er in die Geheimnisse der Natur eintauchte, war er sich sicher, dass es einen Gott geben musste. Wer sonst könnte derartig schöne Kunstwerke schaffen? Der Mensch äffte mit seinen Erfindungen nur seinen Schöpfer nach. Allerdings sorgte der gleiche Gott dafür, dass Menschen wie die Fliegen starben, hingerafft von Pest und Krieg. Es war schwer, in solchen Zeiten an einen Gott zu glauben, doch Jakob Kuisl entdeckte ihn in den Schönheiten der Natur.
    Gerade eben verteilte er vorsichtig mit einer Pinzette die Kristalle auf dem Pergament, das als Unterlage diente, als es an der Tür klopfte. Noch ehe er etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür zu seinem Studierzimmer einen Spaltbreit.Ein Luftzug wehte herein und blies das Pergament Richtung Tischende. Mit einem Fluchen griff er danach und bewahrte es davor, hinuntergeweht zu werden. Ein Teil der Kristalle verschwand in einer Tischritze.
    »Wer in drei Teufels Namen ...? «
    »Es ist der Simon«, beruhigte ihn seine Frau, die die Tür geöffnet hatte. »Er möchte dir die Bücher zurückgeben. Außerdem will er mit dir reden. Er sagt, es sei dringend. Und fluch nicht so laut, die Kinder schlafen schon.«
    »Soll reinkommen«, knurrte Kuisl.
    Als er sich zu Simon Fronwieser umschaute, sah er in ein entsetztes Gesicht. Erst jetzt bemerkte der Henker, dass er das Monokel noch im Auge hatte. Der Arztsohn blickte direkt in eine Pupille von der Größe eines Dukatens.
    »Nur ein Spielzeug«, brummte Kuisl und nahm die in Messing eingefasste Linse aus dem Gesicht. »Aber manchmal ziemlich nützlich.«
    »Wo habt Ihr das her?«, fragte Simon. »Das muss ein Vermögen wert sein!«
    »Sagen wir, ich hab einem Ratsherrn einen Gefallen getan, und er hat mich in Naturalien ausgezahlt.« Jakob Kuisl schnupperte. »Du stinkst.«
    »Ich ... ich hatte

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