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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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mit Eimern Wasser in die lodernde Glut. Andere trugen in größter Eile Kisten und Fässer aus dem Gebäude. Es knisterte und krachte. Der Henker hatte nicht den Eindruck, dass der Schuppen noch zu retten war. Trotzdem rannte er weiter auf die Brücke zu, um seine Hilfe anzubieten. Er wusste, dass mit jeder Kiste ein kleines Vermögen verbrannte. Wolle, Seide, Wein, Gewürze ... Im Zimmerstadel lagerte alles, was nicht mehr oben ins Ballenhaus passte und demnächst weiterverschifft werden sollte.
    Als Kuisl das Stadttor hinter sich gelassen hatte, stutzte er. Von hier übersah er die gesamte Floßlände. Unten an der Anlegestelle für die Flöße war ein Knäuel Menschen zu erkennen, die wild miteinander rangen. Fäuste flogen, einige Männer lagen bereits am Boden, andere hatten sich mit langen Floßstangen bewaffnet und droschen aufeinander ein. Der Henker erkannte einige der Rottfuhrleute und Flößer, aber auch Fremde waren darunter.
    Die Abendsonne versank hinter den Wäldern und tauchte Menschen und Flammen in ein unwirkliches Licht. Jakob Kuisl konnte es nicht fassen: Die Männer prügelten sich, während nur einige Meter entfernt der Zimmerstadel lichterloh brannte!
    »Seid’s wahnsinnig!«, rief er und rannte die letzten Meter hinunter zur Brücke. »Hört’s auf, der Stadel brennt!«
    Die Männer schienen ihn gar nicht zu bemerken. Sie wälzten sich weiter auf dem Boden, einige bluteten bereitsan der Stirn oder hatten Kratzer und Striemen im Gesicht. Mit seinen starken Armen holte der Henker zwei in sich verkeilte Streithähne aus dem Haufen und zog sie auseinander. Den einen Mann im zerrissenen Wams kannte Kuisl von diversen Saufgelagen aus den Gasthäusern hinter dem Marktplatz. Es war der Riegg Georg von den Schongauer Rottfuhrleuten, ein übler Raufbold, der aber unter seinen Männern einen guten Ruf besaß. Der andere Mann schien ein Auswärtiger zu sein. Er blutete an der Lippe, an der rechten Augenbraue klaffte ein breiter Schnitt.
    »Aufhören, sag ich!« Kuisl beutelte die beiden, bis sie ihn endlich wahrnahmen. »Helft’s lieber den Stadel retten!«
    »Die Augsburger haben ihn angezündet, sollen die ihn auch löschen!« Georg Riegg spuckte dem anderen ins Gesicht, worauf dieser zum erneuten Schlag ausholte.
    Kuisl ließ beide Köpfe kurz aneinanderkrachen, bevor er weitersprach. »Was redst da? «
    »Einen Schmarren red er! « Der andere war vom Dialekt her Augsburger. Wild deutete er auf den brennenden Stadel. »Eure Wächter hab’n ned aufgepasst, und jetzt sollen wir dafür die Zeche zahlen. Aber ohne uns! Für den Schaden werdet ihr noch bluten müssen!«
    Jakob Kuisl nahm hinter sich eine Bewegung wahr. Er drehte sich um und sah aus dem Augenwinkel eine Floßstange auf sich zurauschen. Instinktiv ließ er die beiden Raufbolde fallen und griff im gleichen Moment nach der Stange. Mit einem Ruck schob er sie von sich, so dass der Mann am anderen Ende schreiend in den Lech fiel. Von links näherte sich bereits ein weiterer Angreifer, ein breit gebauter Flößer, den Kuisl als einen aus der Augsburger Zunft erkannte. Mit einem Schrei warf sich der Flößer auf ihn. Kuisl wich im letzten Augenblick aus und verpasste dem Mann einen kräftigen Nackenhieb. Stöhnend fiel derAugsburger zu Boden. Doch schon nach wenigen Sekunden richtete er sich wieder auf und ging zum nächsten Angriff über. Ein Schwinger traf ins Leere, den nächsten fing der Henker mit seiner rechten Hand ab. Langsam schloss sie sich zur Faust, bis die Fingerknochen des anderen zu knacken begannen. Stück für Stück drückte er den Augsburger näher zum Molenende. Schließlich schob er ihn hinaus aufs Wasser und ließ los. Mit einem Klatschen verschwand der Mann in den Fluten und tauchte erst wild rudernd am hinteren Teil der Floßlände wieder auf, wo er sich an einem Pfeiler festzuhalten versuchte.
    »Aufhören! Im Namen der Stadt, aufhören!«
    Johann Lechner war inzwischen mit den Bütteln an der Floßlände angekommen. Die vier Wächter sorgten gemeinsam mit einigen anderen Schongauern dafür, dass die Streithähne voneinander abließen.
    »Ihr da, rüber zum Stadel! Nehmt die Eimer mit! « Mit wenigen Sätzen organisierte der Gerichtsschreiber die Löschaktion, auch wenn es dafür eigentlich schon zu spät war. Das Dach war mittlerweile eingestürzt, sämtliche Wege ins Innere des Gebäudes waren mit glühenden Balken versperrt. Was sich jetzt noch an Gütern dort drinnen befand, würde früher oder später ein Raub der

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