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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Flammen werden. Hunderte von Gulden, unrettbar verloren. Neben dem niedergebrannten Stadel türmten sich verrußte Kisten und Ballen. Einige von ihnen glimmten noch. Ein Hauch von verbranntem Zimt lag in der Luft.
    Die Büttel hatten sämtliche an der Rauferei Beteiligten in eine Ecke der Floßlände gescheucht und in zwei Gruppen aufgeteilt, in Schongauer und Augsburger. Hasserfüllt sahen sich die beiden Parteien an. Für weiteres Raufen oder Schimpfen schienen sie zu erschöpft.
    Jakob Kuisl konnte auch Josef Berchtholdt, den Bruderdes Bäckermeisters, unter den Schongauer Streithähnen sehen. Sein Bruder Michael drückte ihm einen nassen Lappen auf das linke, bereits zugeschwollene Auge und schleuderte wilde Flüche in Richtung der Augsburger. Die beiden anderen Zeugen der Befragung in der Feste waren in der Menge verschwunden.
    In der Zwischenzeit war auch Bonifaz Fronwieser, der Vater Simons, auf Weisung des Schreibers aufgetaucht. Mit Wasser und Leintüchern begann er die schlimmsten Wunden zu versorgen. Einer der Schongauer Rottfuhrleute hatte einen Stich in den Oberarm davongetragen. Und auch bei den Augsburgern blutete jemand aus einer Wunde am Oberschenkel.
    Als Kuisl den Ruf des Schreibers gehört hatte, hatte er sich schnell von den Kämpfenden zurückgezogen. Jetzt saß er auf einem Molenpfeiler, saugte an seiner Pfeife und betrachtete von fern den Tumult auf dem Steg.
    Es sah so aus, als wäre ganz Schongau zum Fluss gekommen, um dem Schauspiel beizuwohnen. Bis hinauf zum Tor standen die Leute und blickten auf die niedergebrannte Ruine. Immer noch stürzten krachend Balken in die Flammen. Wie ein Johannisfeuer erhellte der Brand den dahinterliegenden Wald, über den sich langsam die Abenddämmerung legte.
    Der Schreiber Lechner hatte mittlerweile den Floßwächter gefunden, der wie ein Häufchen Elend vor ihm kauerte und seine Unschuld beteuerte.
    »Glaubt mir, Meister«, winselte er. »Wir wissen nicht, wie so ein Feuer ausbrechen konnte. Gerade noch sitz ich hier mit dem Benedikt und dem Johannes beim Würfeln, und als ich mich umdreh, steht der ganze Stadel schon in Flammen! Da muss einer gezündelt haben, anders geht das nicht so schnell.«
    »Ich weiß schon, wer da gezündelt hat«, rief der Riegg Georg aus der Schongauer Gruppe. »Die Augsburger waren’s! Zuerst machen sie unsere Kinder tot, und dann zünden sie unseren Stadl an, dass keiner mehr bei uns anlegen möcht und alle sich fürchten und unsere Stadt meiden. Sauhunde, dreckade! «
    Von den Schongauer Rottfuhrleuten fingen einige zu rebellieren an. Steine flogen, Flüche waren zu hören. Nur mit Mühe konnten die Büttel die beiden Gruppen auseinanderhalten.
    »Unsere eigene Ware werden wir anzünden!«, erscholl es aus der Augsburger Gruppe. Die Schongauer begannen zu schimpfen und gröhlen. »Nicht aufgepasst habt’s, und jetzt wollt ihr’s uns in die Schuhe schieben. Jeden Kreuzer zahlt ihr uns zurück!«
    »Ach, und was ist das da?« Georg Riegg zeigte auf die Fässer und Kisten, die vor dem abgebrannten Stadl standen. »Euer Zeug habt’s fein säuberlich vorher rausgeschafft.«
    »Lügner!« Die Augsburger waren kaum noch zu bändigen. »Rausgetragen haben wir’s, als es schon brannte. Da seid’s ihr nur blöd rumgestanden und habt’s gejammert.«
    »Ruhe, verdammt!«
    Die Stimme des Schreibers war nicht sonderlich laut. Trotzdem hatte sie etwas an sich, das die anderen verstummen ließ. Johann Lechner ließ den Blick über die beiden verfeindeten Gruppen schweifen. Schließlich deutete er auf die Augsburger Rottfuhrleute.
    »Wer ist hier der Anführer?«
    Es meldete sich der breite Hüne, den Jakob Kuisl vorher ins Wasser geschubst hatte. Offenbar war es ihm gelungen, wieder ans Ufer zu gelangen. Seine Haare hingen ihm nass ins Gesicht, Hose und Wams klebten am Leib.Trotzdem sah er nicht so aus, als wollte er sich von einem Schongauer Gerichtsschreiber einschüchtern lassen. Mürrisch sah der Riese Johann Lechner ins Gesicht.
    »Ich bin das.«
    Lechner musterte ihn von oben bis unten. »Und wie ist dein Name?«
    »Martin Hueber. Rottführer vom Geschlecht der Fugger.«
    Vereinzelt waren leise Pfiffe zu hören. Die Fugger waren zwar lange nicht mehr so mächtig wie vor dem großen Krieg, trotzdem galt ihr Name noch etwas. Ein Mann, der für diese Familie arbeitete, konnte sich mächtiger Fürsprecher gewiss sein.
    Wenn Johann Lechner sich darüber Gedanken machte, ließ er es sich wenigstens nicht anmerken. Er nickte kurz,

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