Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
einzubilden. Doch der Anblick blieb. Die Erleichterung überlagerte den Schrecken, und er lief rasch zum Bett. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen sank er auf die Knie, dankte den Göttern und streckte die Hand aus, um seine Frau in die Arme zu schließen.
Sie hustete abermals.
Als er zu begreifen begann, erstarrte er. Sein Lächeln erstarb. Nein! Nicht Ashlyn. Dann sah er sie genauer an. Sie war blass, viel zu blass, und unter den Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. Ihre hübsche Haut war von kleinen rosafarbenen Flecken übersät.
Am liebsten hätte er sich das Herz aus der Brust gerissen.
Er hatte es geahnt … befürchtet … und jetzt hatte sich seine größte Angst bewahrheitet. Die Jäger hatten sie mit der Krankheit infiziert. Vermutlich waren sie einer nach dem anderen gestorben, weshalb sie hatte fliehen können.
Weshalb sie hatte nach Hause kommen können, um zu sterben.
„Nein!“, brüllte er. Das würde er nicht zulassen; sie war sein Leben. Lieber würde er für alle Ewigkeit in der Hölle schmoren, als auch nur eine einzige Minute ohne sie auf der Erde zu verbringen.
Reyes kam ins Zimmer gestapft, als hätte er auf ein Lebenszeichen gewartet. Er war so wütend wie eine Gewitterwolke und stand kurz davor zu explodieren. „Ist sie aufgewacht?“ Er hatte so viele Schnitte auf den Armen, dass man kaum erkennen konnte, wo der eine aufhörte und der nächste begann.
„Nein“, erwiderte Maddox mit brüchiger Stimme.
Der Krieger musterte sie scharf. „Ich bin in der Nähe geblieben. Sie hat die ganze Nacht gehustet. Es tut mir leid.“ Dann fügte er tröstend hinzu: „Die meisten sterben innerhalb weniger Stunden nach der Infektion, aber sie ist immer noch am Leben. Vielleicht schafft sie es ja.“
Vielleicht war nicht genug. Maddox legte eine Hand auf ihre zu heiße Stirn. Dann sprudelten die Befehle nur so über seine Lippen. „Bring mir kühle Lappen. Und mehr von diesen Pillen, falls wir Danikas Tasche noch haben. Und Wasser.“
Folgsam eilte Reyes davon und kam schon nach kurzer Zeit mit den gewünschten Dingen zurück. Ashlyn wollte einfach nicht aufwachen, also zerdrückte Maddox die Tabletten und steckte ihr das Pulver in den Mund. Danach goss er ihr Wasser die Kehle hinab.
Sie hustete und würgte, schluckte dann aber. Endlich schlug sie langsam die Augen auf und blinzelte wegen des hellen Lichts. „Zu Hause“, lallte sie heiser, als sie ihn erblickte. „Krank. Schlimmer als vorher.“
„Ich weiß, meine Schöne.“ Er küsste sie zärtlich auf die Schläfe. Torin konnte die Krankheit auf ihn übertragen, nicht jedoch ein Mensch. Doch das hätte ohnehin keinen Unterschied gemacht, denn er hätte sie trotzdem im Arm gehalten. „Aber du wirst auch dieses Mal wieder gesund werden.“
„Boss … Jäger. Tot.“
Er nickte nur bestätigend, da er nicht aussprechen wollte, was er beim Tod des Mannes empfand. Befriedigung.
„Was ist mit Danika?“, erkundigte sich Reyes und machte einen Schritt vor. „Ich bin durch den Tunnel gekrochen, aus dem du gekommen bist, und habe das Gefängnis samt den toten Jägern gefunden, aber Danika war nicht dort.“
„Ist vielleicht … auf dem Weg nach … New York“, stammelte Ashlyn.
Reyes erblasste. Die Farbe wich aus seinem Gesicht, als saugte der Staubsauger, den Aeron so hasste, sie auf. „Haben sie sonst noch etwas gesagt?“
„Tut mir leid.“ Sie hustete.
Maddox zuckte bei dem schrecklichen, rasselnden Geräusch zusammen. Er legte einen kühlen, feuchten Lappen auf ihre Stirn. Sie seufzte und schloss die Augen. Offensichtlich frustriert fuhr Reyes sich durchs Haar. Er konnte nicht länger still stehen, er brauchte Schmerzen.
„Geh nur“, sagte Maddox, „und finde sie.“
Der Krieger blickte von Ashlyn zu Maddox und nickte dann. Wortlos verließ er den Raum.
Maddox blieb stundenlang bei Ashlyn, tupfte ihr die Stirn ab und zwang sie, Wasser zu trinken. Torin hatte es damals genauso gemacht, nachdem er die Frau berührt und die Seuche sich verbreitet hatte.
Eine Zeitlang dachte Maddox, Ashlyns Lebenswille sei stärker als die Krankheit, da sie im Gegensatz zu den anderen noch nicht gestorben war. Dass ihr vielleicht irgendetwas – oder irgendjemand – half. Aber dann wurde ihr Husten blutig und ihr Körper so schwach, dass sie nicht mehr sitzen konnte. Ihr Hals schwoll zu, und sie konnte nicht länger schlucken. Wie lange würde sie noch durchhalten?
Hilflos nahm Maddox sie auf den Arm. Ohne ein Wort mit seinen
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