Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
niedergeschlagen. „Auch hier haben sie Maddox als Beispiel herangezogen und gesagt, sie würden uns genauso verfluchen wie ihn, wenn wir es wagten, uns gegen sie aufzulehnen.“
Paris sprang auf und lief nervös in dem großen Zimmer auf und ab. „Wie ich das alles hasse“, fluchte er.
„Genau, und wir anderen finden es ganz toll“, kommentierte Torin ironisch.
„Vielleicht tust du den Frauen ja einen Gefallen“, bemerkte Reyes, der gerade damit beschäftigt war, sich ein X in die Mitte der Handfläche zu ritzen. Rote Tropfen landeten auf seinem Oberschenkel.
Seinetwegen war das gesamte Mobiliar dunkelrot.
„Vielleicht befehlen sie mir nächstes Mal, dich umzubringen“, erwiderte Aeron düster.
„Ich muss darüber nachdenken.“ Lucien fuhr sich mit zwei Fingern über den stark vernarbten Kiefer. „Wir müssen doch irgendetwas unternehmen können.“
„Vielleicht kann Aeron ja einfach die gesamte Weltbevölkerung auslöschen“, provozierte Torin seinen Freund. „Dann würde er alle möglichen Zielobjekte eliminieren, und wir bräuchten nie wieder darüber zu diskutieren.“
Aeron bleckte die Zähne. „Zwing mich nicht, dir wehzutun, Krankheit.“
Torins stechende, grüne Augen blitzten wahnwitzig. Er schenkte Aeron ein spöttisches Lächeln. „Habe ich deine Gefühle verletzt? Ich gebe dir gern ein Küsschen, um es wiedergutzumachen.“
Ehe Aeron einen Satz durch den Raum machen konnte – auch wenn er Torin ohnehin nichts hätte antun können –, sagte Lucien: „Schluss jetzt. Wir wissen nicht, was uns bevorsteht. Deshalb müssen wir jetzt zusammenhalten, und zwar stärker als je zuvor. Es war ein ereignisreicher Abend, und er ist noch nicht zu Ende. Paris, Reyes, geht in die Stadt und vergewissert euch, dass dort nicht noch mehr Jäger herumlungern. Torin – keine Ahnung. Behalte den Hügel im Auge und verdien ein bisschen Geld.“
„Und was wirst du machen?“, fragte Paris.
„Unsere Möglichkeiten abwägen“, gab er düster zurück.
Paris zog die Augenbrauen hoch. „Was ist mit Maddox’ Frau? Ich könnte die Jäger besser bekämpfen, wenn ich vorher etwas Zeit zwischen ihren Beinen …“
„Nein.“ Lucien starrte an die gewölbte Zimmerdecke. „Nicht sie. Du weißt doch, ich habe Maddox versprochen, sie ihm unberührt zurückzubringen.“
„Ja, ich weiß. Erklär mir noch mal, warum du so was selten Dämliches versprochen hast.“
„Lass sie einfach … in Ruhe. Außerdem schien sie ohnehin nicht sonderlich interessiert an dir.“
„Was fast noch erschreckender ist als die Nachricht von den Titanen“, murmelte Paris. Dann seufzte er. „Also schön. Ich werde meine Finger bei mir behalten, aber irgendjemand muss ihr was zu essen bringen. Wir haben es ihr versprochen.“
„Vielleicht sollten wir sie ein bisschen hungern lassen“, schlug Reyes vor. „Wenn sie vom Hunger geschwächt ist, wird sie morgen früh vielleicht etwas kooperativer sein.“
Lucien nickte. „Einverstanden. Sie wird Maddox eher die Wahrheit sagen, wenn sie glaubt, dass sie dafür etwas zu essen bekommt.“
„Es gefällt mir zwar nicht, aber meinetwegen. Ich schätze, das bedeutet, ich muss ohne meine Vitamin-D-Spritze in die Stadt aufbrechen“, seufzte Paris. „An die Arbeit, Schmerz.“
Reyes war sogleich auf den Beinen, und gemeinsam verließen sie das Zimmer. Torin folgte ihrem Beispiel, ließ ihnen jedoch einen großen Vorsprung. Aeron konnte sich nicht vorstellen, wie belastend es sein musste, darauf zu achten, niemals einen anderen Menschen zu berühren. Es musste die Hölle sein.
Er schnaubte. Für alle Krieger hier war das Leben die Hölle.
Lucien kam zu ihm herüber und ließ sich ihm gegenüber in einen Ledersessel fallen. Er verströmte Rosenduft. Aeron hatte noch nie verstanden, warum der Sensenmann wie ein Bouquet aus Frühlingsblumen roch – sicher war es ein Fluch, der den von Maddox um Längen übertraf.
„Was denkst du?“, fragte er, während er seinen Freund musterte. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren strahlte Lucien etwas anderes als Ruhe aus. Seine Stirn lag in tiefen Falten, und weitere feinere Fältchen verunstalteten sein vernarbtes Gesicht noch mehr.
Die Narben verliefen von den Augenbrauen bis zum Kieferknochen hinunter. Sie waren dick und aufgeworfen. Lucien sprach nie darüber, wie man sie ihm zugefügt hatte. Während ihrer Zeit in Griechenland war der Krieger eines Tages einfach mit gequältem Blick und diesen Malen im Gesicht
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