Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
mal.“ Paris setzte sich schlagartig auf und blickte ihn mit gerunzelter Stirn an. Der Fernseher war vergessen.
Aeron wiederholte den Befehl der Götter.
Blasser als gewöhnlich schüttelte Paris den Kopf. „Ich kann akzeptieren, dass wir jetzt ihrem Befehl unterstehen. Es gefällt mir zwar nicht, ganz im Gegenteil, aber was soll’s – ich akzeptiere es. Was ich allerdings nicht kapiere, ist, dass die Titanen dich, den Träger des Zorns, beauftragt haben, in der Stadt vier Frauen umzubringen. Was haben die denn davon?“ Er warf fassungslos die Hände in die Luft. „Das ist doch Irrsinn.“
Auch wenn er vermutlich der promiskuitivste Mann war, der je auf der Erde gelebt hatte, der seine Partnerinnen flachlegte und noch am selben Tag wieder vergaß – Frauen, ganz gleich welcher Rasse, Größe und welchen Alters waren Paris’ Lebenselixier. Ohne sie konnte er nicht existieren. Aber er konnte es nicht tolerieren, wenn auch nur eine Einzige von ihnen verletzt wurde.
„Sie haben mir keinen Grund genannt“, erwiderte Aeron, wohl wissend, dass auch das keinen Unterschied gemacht hätte. Er wollte diesen Frauen nichts antun. Er wusste, wie es sich anfühlte, zu töten. Oh ja. Er hatte schon unzählige Male getötet, aber immer nur auf das unnachgiebige Drängen seines Dämons hin – eines Dämons, der seine Opfer mit Bedacht auswählte. Er tötete Leute, die ihre Kinder schlugen oder missbrauchten. Leute, die nur glücklich waren, wenn sie anderen Schaden zufügten. Zorn wusste, wenn jemand den Tod verdiente, da er die Schandtaten dieser Menschen immer wieder vor sich sah.
Als die Titanen seine Aufmerksamkeit auf die vier Frauen gelenkt hatten, hatte der Dämon sie überprüft und für unschuldig befunden. Und trotzdem sollte er sie umbringen.
Wenn das geschähe, wenn Aeron gezwungen würde, das Blut von Unschuldigen zu vergießen, wäre er nicht mehr derselbe. Das wusste er genau.
„Haben sie dir einen Zeitrahmen genannt, in dem die Tat vollzogen werden muss?“, erkundigte sich Lucien, der immer noch unbeeindruckt wirkte. Er war Tod. Der Sensenmann. Man hatte ihn sogar schon Luzifer genannt, wenn auch von jenen, die ihn so betitelt hatten, niemand mehr am Leben war. Für ihn musste Aerons Aufgabe also eine Kleinigkeit sein.
„Nein, das nicht. Aber …“
Lucien hob eine dunkle Augenbraue. „Aber?“
„Sie sagten, wenn ich nicht schnell handelte, würden die Gedanken an Blut und Tod meinen Verstand auffressen. Sie sagten, ich würde alles und jeden töten, bis ich meine Aufgabe erfüllt hätte. Genauso wie Maddox.“ Doch sie hätten ihn nicht zu warnen brauchen. Zorn hatte schon oft die Kontrolle über ihn gewonnen. Wenn der Dämon befand, dass es Zeit war zu handeln, versuchte Aeron jedes Mal zu widerstehen. Doch das Verlangen nach Zerstörung wurde immer heftiger, bis er schließlich nachgab. Aber noch niemals hatte Zorn ihn genötigt, einen Unschuldigen zu töten. „Nur wird, im Gegensatz zu Maddox’, mein Fluch nicht mit dem Morgengrauen enden.“
Mit Grabesstimme fragte Paris: „Wie sollst du es machen? Haben sie dir wenigstens das gesagt?“
Aeron drehte sich der Magen um. „Ich soll ihnen die Kehle durchschneiden“, erwiderte er. Er hätte sich den neuen Göttern nur allzu gern widersetzt. Allein die Angst, dass sie ihm eine noch grausamere Aufgabe geben würden, hatte ihn schweigen lassen.
„Warum tun sie das?“, mischte sich nun auch Torin ein.
Aeron wusste noch immer keine Antwort.
Paris starrte zu ihm hinüber. „Wirst du es tun?“
Aeron wich seinem Blick aus. Er schwieg, doch tief im Innern wusste er, dass nichts die Frauen noch retten konnte. Man hatte sie auf die mentale Tötungsliste seines Dämons gesetzt, und ungeachtet ihrer Unschuld würden sie eine nach der anderen abgehakt werden.
„Können wir dir irgendwie helfen?“, wollte Lucien wissen. Sein Blick war messerscharf.
Aeron rammte verzweifelt die Faust in die Sofalehne. Wenn er diese schreckliche Tat beging, wo er doch jetzt schon am Abgrund des Bösen taumelte, würde er zerbrechen. Er würde seine Persönlichkeit vollständig an den Dämon verlieren. „Ich weiß nicht. Wir haben es mit neuen Göttern, neuen Konsequenzen und neuen Umständen zu tun. Ich bin nicht sicher, wie ich reagieren werde, wenn ich …“ – na los, sag es – „… die Frauen umgebracht habe.“
„Besteht die Möglichkeit, die Götter umzustimmen?“
„Das dürfen wir noch nicht mal versuchen“, entgegnete er
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