Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
im Wald, so wie er es sonst handhabte. Nicht auf dem kalten, von Zweigen übersäten Boden. Sondern in einem Bett. Er wollte ihr in die Augen sehen, wollte ihre Haut auf seiner spüren, wollte sich langsam in ihr bewegen.
Bei diesen Gedanken brannte sein Körper. Doch es war ein Brennen, das in keinster Weise mit den Flammen zusammenhing.
Sie bedeutet nur Unheil für uns. Also schaden wir ihr besser zuerst, forderte sein Dämon.
Wag es erst gar nicht, so etwas vorzuschlagen, befahl Maddox ihm, um ihn zu unterdrücken. Zu seiner Überraschung schien der Dämon bereit, ruhig über Ashlyn zu reden und nicht zu brüllen. Ich bin kein Ungeheuer.
Wir sind dieselbe Person, und diese Frau bedeutet Gefahr.
Ja, das stimmte. Dennoch – er war noch nie einer Frau begegnet, die so verletzlich war wie Ashlyn. Alleine im Wald mit geheimnisvollem Blick, verfolgt von Mördern. Ob diese Männer sie ignoriert, getötet oder missbraucht hätten, um ihn und die anderen Herren der Unterwelt umzubringen, würde er noch herausfinden.
Gleich am nächsten Morgen, wenn Lucien seine Seele in seinen genesenen Körper zurückführte, würde Maddox zu ihr gehen und ihr Fragen stellen. Nein, zuerst würde er sie berühren. Sie küssen. Ihren gesamten Körper schmecken. Er sehnte sich so sehr danach.
Trotz des Schmerzes lächelte er lüstern. In den Augen der Frau hatte er Begehren gesehen; sie hatte versucht, ihm zu folgen, ihn zu retten. Ja, sie hatte sich die Suppe selbst eingebrockt. Nun würde sie sie auch auslöffeln müssen. Und zwar zusammen mit ihm.
Er würde ihr die Fragen erst stellen, nachdem sie sich geliebt hatten. Und wenn er herausbekäme, dass sie tatsächlich ein Köder war – seine Brust zog sich schmerzhaft zusammen –, würde er mit ihr das Gleiche machen wie mit den Jägern.
„Die Titanen haben die Griechen zu Fall gebracht“, verkündete Aeron. Seit seiner Rückkehr zur Burg vor einer Stunde brodelte diese Information in ihm, doch bei dem ganzen Tumult war er nicht dazu gekommen, sie weiterzugeben. Bis jetzt. Die Dinge hatten sich endlich beruhigt, doch er wusste, dass die Ruhe nur so lange währen würde, bis alle die Bedeutung seiner Worte begriffen hatten.
Mit hochgezogenen Augenbrauen ließ er sich auf das rote Plüschsofa fallen. Maddox’ Menschenfrau war kein Thema mehr. Wenn man nur seine Worte so leicht hätte wegwischen können … Aber was war das plötzlich für ein Lärm?
Er sah sich mit finsterem Blick um, griff nach der Fernbedienung für den Fernseher und schaltete das Filmchen aus, das Paris gerade angemacht hatte. Das erregte Gestöhne verstummte. Das Bild eines Mannes, der gerade eine Frau nahm, verschwand vom Bildschirm. „Hör endlich auf, dir diesen Müll reinzuziehen, Paris.“
Paris entriss ihm die Fernbedienung und schaltete das Gerät wieder ein. Dann stellte er den Ton ab. „Das hier ist kein Kaufvideo, Bruder“, erwiderte er ohne den Anflug eines schlechten Gewissens. „Dieser Film stammt aus meiner ganz persönlichen Sammlung. Ich nenne ihn ‚Die wildgewordenen Ölcatcherinnen‘.“
„Du wirst mit jedem Tag menschlicher“, murmelte Aeron. „Wie erbärmlich das ist, ist dir ja wohl hoffentlich klar.“
„Aeron, du kannst nicht so eine Ansage machen und dann einfach das Thema wechseln. Du hast die Titanen erwähnt …“, bemerkte Lucien in seinem mörderisch ruhigen Tonfall.
Mörderisch ruhig. Ja, das beschrieb Tod perfekt. Lucien hielt sein Temperament und sämtliche Gefühlsregungen in einem eisernen Griff, denn wenn sein Dämon die Oberhand gewann, war er so übermächtig, dass selbst Zorn angst und bange wurde. Dann wurde Lucien zu einem wahren Rachegott. Aeron hatte die Verwandlung einmal miterlebt und niemals mehr vergessen.
„Mir war auch so, als hätte da zwischen den Zeilen etwas mitgeschwungen.“ Reyes schüttelte den Kopf, als würde ihm das helfen, die Dinge besser zu verstehen. „Was geht hier vor? Zuerst erzählt Torin uns, dass die Jäger zurück sind, dann schleppt Maddox eine Frau an, und jetzt sagst du uns, dass die Titanen die Macht übernommen haben? Ist so etwas überhaupt möglich?“
„Ja, allerdings.“ Leider. Aeron rubbelte sich über die raspelkurzen Haare. Wie gerne hätte er den anderen gute Nachrichten überbracht. „Offenbar haben die Titanen während ihrer jahrhundertelangen Gefangenschaft ihre Fähigkeiten verfeinert. Vor ein paar Wochen entwischten sie Tartarus, lauerten den Griechen auf, versklavten sie und eroberten den Thron.
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