Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
auch versucht, einen von Maddox’ berühmten Wutanfällen zu bekommen. Doch es gelang ihm, sich zu beherrschen und sich auf das eigentliche Ziel zu konzentrieren: die sichere Heimkehr seiner Freunde. Allerdings schaffte er das nur, weil Gwen offenbar nicht merkte, wie vielen Männern es den Atem verschlug, dass sie geiferten und abrupt stehen blieben.
Sie fuhren sofort zu dem Haus, in dem die Krieger gewohnt hatten. Ein Haus, das meilenweit von jeglicher Zivilisation entfernt lag. Sie beobachteten es eine Weile, um sich zu vergewissern, dass erstens die Krieger sich nicht vor Ort befanden und zweitens die Jäger nicht da gewesen waren und kleine Willkommensgeschenke hinterlassen hatten. Wenn es nach Sabin ging, hätten allerdings ruhig ein paar Jäger dort sein können. Er war bereit für den Kampf.
Dann hatten er und Gwen sich mit Waffen ausgestattet, sich jeder eine Baseballkappe geschnappt, um die Haare zu verstecken und die Gesichter abzuschirmen, und sich auf den Weg zu dem einzigen Ort gemacht, zu dem Sabins Freunde gegangen sein konnten. Jetzt liefen sie die Straße vor einer Häuserreihe entlang, und er war sich sicher, dass die Trainingseinrichtung nicht mehr weit war. Nur konnte er sie nicht finden. Ein Haus schloss sich lückenlos an das nächste an. Und jedes Mal, wenn er nachzählte, kam er durcheinander.
Gwen blieb stehen, rieb sich den Nacken und starrte in den Himmel. „Es ist hoffnungslos. Wir sind doch am richtigen Ort. Warum finden wir es nicht?“
Er seufzte. Vielleicht war es an der Zeit, größere Geschütze aufzufahren. Falls der Götterkönig ihm ausnahmsweise mal antwortete. „Cronus“, murmelte er, „ein wenig Hilfe wäre wirklich nett. Du willst doch, dass wir gewinnen, oder?“
Ein Moment verstrich, dann noch einer. Nichts geschah.
Er wollte gerade aufgeben, als Gwen plötzlich keuchte. „Sieh mal!“
Sabin folgte ihrem Blick und erschrak fast zu Tode. Dort, auf dem Dach eines Gebäudes zu ihrer Rechten, das er irgendwie immer wieder übersehen hatte, stand der Götterkönig. Das Gebäude schien unter ihm zu beben. Seine weiße Robe schwang um seine Knöchel. Nachdem er Sabin so lange ignoriert hatte, half er ihm jetzt? Einfach so?
„Nun bist du mir was schuldig, Zweifel, und ich treibe meine Außenstände immer ein.“ In der nächsten Sekunde war Cronus verschwunden.
Wenn Sabin an diesem Tag siegte, wäre das für Cronus von großem Nutzen. Eigentlich hätte der Gott froh darüber sein müssen, helfen zu können, und nicht im Gegenzug Forderungen aufstellen sollen.
„Wer war das?“, fragte Gwen. „Wie hat er das gemacht? Und denkst du, mein … Galen ist da drin?“
Sabin erzählte ihr von Cronus. „Galen … keine Ahnung. Aber was, wenn er drin ist? Willst du die Sache immer noch durchziehen?“
„Ja.“ Diesmal hatte sie nicht gezögert. Dafür klang sie nervös.
Verlangte er zu viel von ihr? Sabin hatte keine Eltern. Die Griechen hatten ihn vollständig geformt erschaffen. Da zwischen ihm und den ehemaligen Göttern keine Liebe existiert hatte, konnte er nicht mal erahnen, wie Gwen sich fühlen musste.
„Ich will es wirklich“, bekräftigte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Nach allem, was er getan hat, muss man ihm das Handwerk legen.“
Am Ende hatte ihre Stimme gezittert. In diesem Augenblick beschloss Sabin, einzugreifen, falls Galen sich dazu entschied, an der Schlacht teilzunehmen – was ziemlich unwahrscheinlich war, weil der Mistkerl immer das Weite suchte und seine Lakaien die Schmutzarbeit für sich erledigen ließ. Hoffnung hatte sich schon immer über alle anderen gestellt. Aber Sabin wollte nicht, das Gwen am Ende irgendetwas bereute; er wollte nicht, dass sie ihm später für ihre Taten die Schuld gab. Oder für meine, dachte er, und augenblicklich verspürte er ein unangenehmes Ziehen im Magen. Auch wenn er sich die Frage schon häufiger gestellt hatte, konnte er nicht umhin, es wieder zu tun: Würde sie ihn hassen, wenn er ihren Vater besiegte und einsperrte?
Sabin interessierten nur zwei Dinge: Gwens Sicherheit und die seiner Freunde. Und zwar in dieser Reihenfolge. Sie kam an erster Stelle, jetzt und für alle Zeit. Nichts konnte daran etwas ändern.
„Lass uns die Sache hinter uns bringen“, sagte sie und lief los.
„Bevor wir da reingehen“, sagte er, während er neben ihr ging, „möchte ich dir noch einmal sagen, dass ich dich liebe. Ich liebe dich so sehr, dass es wehtut. Ich wollte nur … dass du das weißt,
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