Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
herauszuprügein, desto schneller konnte er sich in seinem Zimmer einschließen und vergessen, dass er am Leben war.
Strider pfiff gedankenverloren und tat, als hätte er ihn nicht gehört, während er auf den Eingang zuging.
Was war hier los? Niemand hatte mehr Spaß an Gewalt als Strider. „Hey, Strider. Ich weiß, dass du mich gehört hast. Hilf mir bei den Verhören, ja?“
„Ach komm schon. Warte wenigstens bis morgen. Sie können uns ja nicht weglaufen. Ich muss mich auch ein bisschen erholen. Wie Cameo. Morgen in aller Frühe bin ich bereit. Das schwöre ich bei den Göttern.“
Paris seufzte. „Na gut. Geh schon.“ Waren also Cameo und Strider ein Paar? „Was ist mit dir, Amun?“
Amun nickte, geriet dadurch aber dermaßen aus dem Gleichgewicht, dass er stöhnend auf der untersten Verandastufe zusammenbrach.
Keine Sekunde verging, und Strider war an seiner Seite und legte ihm den Arm um die Taille. „Onkel Strider ist da, mach dir keine Sorgen.“ Er hievte den sonst so stoischen Krieger auf die Füße. Er hätte ihn im Notfall auch getragen, aber solange Strider ihn stützte, konnte Amun einen Fuß vor den anderen setzen, ohne allzu oft zu stolpern.
„Ich helfe dir mit den Jägern“, bot Aeron an und ging auf Paris zu.
Damit hätte Paris niemals gerechnet. „Was ist mit Legion? Das Mädchen vermisst dich bestimmt.“
Aeron schüttelte den Kopf. Unter den raspelkurzen Haaren glänzte seine Kopfhaut im Sonnenlicht. „Sie hätte schon längst auf meinen Schultern gesessen, wenn sie hier wäre.“
„Tut mir leid.“ Niemand wusste besser als Paris, wie es sich anfühlte, wenn man eine bestimmte Frau vermisste. Auch wenn er zugeben musste, dass er ziemlich überrascht gewesen war, als er herausgefunden hatte, dass der kleine Dämon tatsächlich eine Frau war.
„Es ist besser so.“ Mit einer seiner geäderten Hände rieb sich Aeron über das müde Gesicht. „Irgendetwas hat mich … beobachtet. Irgendetwas Mächtiges. Es hat eine Woche vor unserem Aufbruch nach Ägypten angefangen.“
Paris’ Magen zog sich zusammen. „Tolle Idee, eine Information wie diese vor uns geheim zu halten. Du hättest uns davon erzählen müssen, gleich nachdem du es das erste Mal bemerkt hast. Genauso wie du uns vor Monaten, als du von deiner himmlischen Vorladung zurückgekehrt bist, hättest erzählen sollen, was mit den Titanen passiert ist. Wer auch immer dich beobachtet, hat womöglich die Jäger von unserer Reise unterrichtet. Wir hätten …“
„Du hast recht, und ich entschuldige mich dafür. Aber ich glaube nicht, dass diese Macht für die Jäger arbeitet.“
„Und warum nicht?“, hakte Paris nach, der das Thema nicht einfach ad acta legen wollte.
„Ich kenne das Gefühl dieser hasserfüllten, richtenden Augen auf meinem Körper, aber so ist es diesmal nicht. Dieser Beobachter ist … neugierig.“
Er entspannte sich etwas. „Vielleicht ist es ja ein Gott.“
„Glaube ich auch nicht. Legion hat keine Angst vor den Göttern, aber sie hat eine Heidenangst vor diesem Unbekannten. Das ist ein Grund dafür, warum sie so scharf darauf ist, für Sabins Aufklärungsarbeiten in die Hölle zu gehen. Sie meinte, sie kommt wieder, wenn der Beobachter weg ist.“
Aeron klang besorgt. Paris verstand nicht ganz, warum. Legion mochte ein kleiner Dämon mit einer Schwäche für Diademe sein – was sie erst vor Kurzem entdeckt hatten, als sie Anya eins geklaut hatte und damit wie ein stolzer Schwan durch die Burg gestakst war –, aber sie konnte gut auf sich selbst aufpassen.
Paris drehte sich aufmerksam im Kreis. „Ist dein Schatten hier? In diesem Moment, meine ich?“ Als wenn sie noch einen Feind brauchten! „Vielleicht kann ich was oder wer auch immer es ist ja verführen und von dir weglocken.“ Und es umbringen. Man wusste ja nicht, was es schon alles in Erfahrung gebracht hatte.
Aeron schüttelte abermals den Kopf. „Ich glaube ehrlich nicht, dass es uns schaden will.“
Paris schwieg und stieß langsam den angehaltenen Atem aus. „Na gut. Wir befassen uns später damit. Sag mir Bescheid, wenn es wiederkommt. Im Augenblick müssen wir uns um einen Kerker voller Scheißkerle kümmern.“
„Du klingst jeden Tag menschlicher, weißt du das eigentlich?“ Das sagte Aeron ihm nicht zum ersten Mal, aber ausnahmsweise klang es mal nicht geringschätzig. Ein pfeifendes Geräusch ertönte, als er eine Machete aus der Schlaufe auf seinem Rücken zog. „Vielleicht wehren sich die Jäger
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