Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage
leichtem Singsang in der Stimme, „musst du sie dir verdienen. Ich werde dir ein paar Fragen stellen, und du wirst sie mir beantworten. Und nur zu deiner Information: Ich habe auch noch einen Hamburger und einen Schokoshake, mit denen ich dich bezahlen kann.“
Sie leckte sich die Lippen. In diesem Moment hasste und liebte sie ihn zugleich. Das war genau der Grund, warum sie niemals Harpyiengeheimnisse verriet. Weil sie gegen sie verwendet werden konnten. Aber von Gwen wusste Strider, dass Kaia sich ihr Essen tatsächlich verdienen musste. Wenn er ihr eine Frage stellte und sie für ihre Antwort eine Bezahlung akzeptierte, könnte sie ihn nicht anlügen. Sonst würde ihr schrecklich übel werden, genau wie wenn sie etwas äße, was sie sich selbst zubereitet hatte.
Wieder wedelte er mit der Wasserflasche. „Abgemacht?“
„Abgemacht“, zischte sie. Nun brauchte sie nicht länger nur so zu tun, als würde die Wut wieder aufkeimen. Er würdeetwas über die nächste Disziplin erfahren wollen. Das wusste sie. Sie …
„Erzähl mir, warum die Harpyien dich so hassen.“
… irrte sich. Sie sank in die Matratze und starrte zur Decke. Einige Stellen hatten sich durch einen Wasserschaden dunkel verfärbt. Dann waren sie also wieder in irgendeinem billigen Motel. Vermutlich noch immer in Wisconsin.
„Ich warte, Baby Doll.“
„Die Antwort ist nicht wichtig.“
„Das entscheide ich.“
Sie seufzte. „Der Mann … Juliettes Mann. Der Mann, den du am Einführungstag gesehen hast. Als ich vierzehn war, wollte ich, dass er mein Sklave ist. Er sollte meine Wäsche machen und so. Deshalb habe ich versucht, ihn zu stehlen. Ich wollte beweisen, was ich wert bin. Wie stark ich bin.“ Während sie sprach, begann sie zu zittern. Wenn sie ihm die ganze Wahrheit erzählte, würde er sie verlassen. Genauso, wie fast der gesamte Clan sie verlassen hatte.
Wie sollte er auch anders? Er hatte sie gerade verlieren sehen. Zu hören, dass sie schon immer eine Versagerin gewesen war und vermutlich nie mehr sein würde als …
Wollte sie die Wasserflasche wirklich so sehr?
„Und?“, drängte er.
Besser ich verliere ihn jetzt, dachte sie. Er blieb ohnehin nur wegen der Rute, und wenn er ginge, bräuchte sie sich wenigstens keine Gedanken wegen des nächsten Wettkampfs zu machen – und darüber, wieder vor seinen Augen zu verlieren.
„Stattdessen“, schloss sie, „habe ich ihn freigelassen, und er hat mich fast umgebracht. Er hätte mich umgebracht, wenn Bianka nicht gewesen wäre. Sie hat ihn von mir gezerrt, und da hat er sich auf sie gestürzt. Danach hat er alle anderen angegriffen. An jenem Tag haben mehr Harpyien ihr Leben verloren als an irgendeinem anderen Tag in unserer Geschichte. Selbst während der Großen Revierkämpfe, in denen wir gegen andere Spezies gekämpft haben, waren es weniger.“
Strider zog die Augenbrauen zusammen. „Wenn er so viele verletzt hat, warum geben sie dann nicht ihm die Schuld für die Geschehnisse? Ihn hat niemand mit hasserfülltem Blick angesehen. Ihm ist niemand an die Gurgel gegangen.“
Das war seine Reaktion? Warum war er nicht davongelaufen? „Juliette hatte ihn festgekettet. Ich habe ihn befreit. Wäre ich von ihm ferngeblieben, hätte er nicht die Möglichkeit gehabt, irgendetwas zu tun.“
„Okay, dann beantworte mir Folgendes: Wenn er so gefährlich ist, warum hat Juliette ihn dann nicht schon längst verstoßen?“
„Weil eine Harpyie ihrem Gemahl fast alles verzeiht“, grummelte sie.
Ein Moment des Schweigens. „Was ist Juliettes Gemahl überhaupt?“, fragte er, ohne auf ihre Bemerkung über das Verzeihen einzugehen. Wieso? Sie hatte ihm soeben einen ewigen Freifahrtschein gegeben. „Ein Mensch ist er jedenfalls nicht, so viel steht fest.“
„Ich weiß nicht, was er ist. Ich bin noch nie jemandem wie ihm begegnet. Weder vorher noch danach.“
Er schürzte die Lippen. „Dann hast du also nicht mit ihm geschlafen?“
„Ich war vierzehn. Was denkst du denn?“ Als sie seinen neutralen Gesichtsausdruck sah, murmelte sie schnell: „Moment. Sag lieber nichts.“
„Götter, bist du empfindlich. Ich weiß, dass du nicht mit ihm geschlafen hast. Ich wollte es nur aus deinem Mund hören.“ Ganz sanft zeichnete er die Kontur ihres Kiefers nach. „Und vielen Dank, dass du mir diesmal die Wahrheit gesagt hast.“
Bloß nicht dahinschmelzen. Schließlich hatte er ihr keine Liebeserklärung gemacht. „Vielen Dank? Mehr hast du nicht zu sagen?“
„Nein.
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