Die Herren der Zeit
er.
Dann rief er, dass seine Worte weithin hallten:
»Kein Elbe bin ich und auch kein Mensch. Ich bin Burorin, Balorins Sohn, Belforins Sohn, aus dem Hause Bregorins. Und nun nennt mir Euren Namen, damit ich weiß, gegen wen ich hier stehe.«
Die Gestalt auf dem Wall rührte sich nicht. Dann nahm sie langsam den Helm vom Kopf. Rotes Haar quoll daraus hervor und ein feuerroter Bart; rot wie der Atem des Drachen, ebenso rot wie Burins.
»Dies ist ein Wunder über alle Wunder«, sprach der Zwergenfürst. »Denn ich bin Bregorin.«
An diesem Abend gab es ein vielfältiges Wiedersehen, und das Staunen war groß auf allen Seiten.
»Aldo!«, rief Kim, der seinen Augen nicht traute, und die beiden Ffolksleute fielen sich in die Arme. Es war, als hätten sich nach langer Zeit zwei Brüder wiedergefunden, und doch waren sie nur wenige Tage getrennt gewesen – und viele Jahrhunderte. Doch hier, allein in der Fremde, waren sie die einzigen ihrer Art weit und breit.
Auch Aldo war den Tränen nahe. Nach dem ersten Überschwang trat er einen Schritt zurück und sagte: »Ach, Herr Kimberon, es tut so gut, Euch zu sehen …«
Aber Kim wollte nichts von so viel Förmlichkeit wissen: »Nenn mich doch einfach Kim«, sagte er.
»Jawohl, Herr Kim«, antwortete Aldo.
Kim blickte ihm über die Schulter und sah Gorbaz, der sich ein wenig unbeholfen näherte. Unter den vielen Elben, Zwergen und Menschen stach er allein durch seine Größe und Masse hervor, und sie machten alle einen Bogen um ihn.
»Wen haben wir denn da!«, rief Kim aus. »Gorbaz, alter Freund.« Er reichte ihm die Hand. »Dass ich mich einmal freuen würde, einen Bolg zu sehen, wer hätte das je gedacht?«
Gorbaz nahm seine kleine Hand in seine mächtige Pranke. »Die Freude ist ganz meinerseits«, grollte er mit seiner tiefen Stimme. »Ihr seid groß geworden, Herr Kim, wie mir scheint. Oder habt zumindest an Größe zugenommen, was nicht dasselbe ist.«
Kim staunte. »Seit wann redet er denn so?«, fragte er verwundert, an Aldo gewandt.
Der lachte. »Oh, der Bolg hat sich zu einem Philosophen gewandelt«, meinte er. »Es steckt mehr in ihm, als man vermuten sollte.«
»Vielleicht sollte er mal mit den anderen Bolgs reden«, meinte Kim.
Gorbaz runzelte die Stirn. »Es sind Bolgs hier? Welche wie ich?«
»Nicht ganz so wie du. Komm, ich zeige sie dir.« Und damit führte er ihn hinweg.
Auch Fabian und die Ringgefährten begrüßten sich herzlich, wie sich verlorene Freunde begrüßen, die sich gegen alle Hoffnung wiederfinden. Gilfalas und Burin staunten, als sie den Zug der Menschen sahen, der sich inzwischen zu dem Plateau vor der Zwergenbaude emporgequält hatte. Aber Fabian staunte nicht minder angesichts der wohlgerüsteten Schar von Männern, die über die Passhöhe kamen, auch wenn sie nicht mehr als ein Dutzend zählten. Mit ihren elbischen Waffen boten sie einen prächtigen und kriegerischen Anblick.
»Wo habt Ihr die denn her?«, fragte er. »Ich dachte, die Menschen seien alle nur Sklaven.«
»Das ist die Leibgarde des Fürsten Talmond von Thurion«, entgegnete Burin. »Siehst du den Dicken in ihrer Mitte, den mit der Augenklappe. Das ist er.«
»Dann habt ihr in mitgebracht! Ihr enthebt mich damit einer großen Sorge.«
»Nun«, meinte Burin, »wir mussten ihn erst ein bisschen überzeugen, was nicht ganz so einfach war. Aber mit der Hilfe des Hohen Elbenfürsten ist es uns gelungen.«
»Des Hohen Elbenfürsten …?« Fabian kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
»Siehst du ihn nicht?«, fragte Gilfalas. »Er steht dort bei Herrn Bregorin.«
In der Tat: Der dort stand, war auf den ersten Blick ein Elb wie alle anderen. Doch die Kontur seiner Gestalt, die Linie seines Gesichts bezeugte, dass er von edlerer Natur war als die Elben der Mittelreiche. Seinen dunklen Mantel hatte er zurückgeworfen, und man sah, dass er ein Kettenhemd trug aus reinstem Silber, und ein Juwel, klar wie ein Stern, leuchtete auf seiner Brust. Schlank und tödlich war er wie eine Schwertklinge, doch zugleich geschmeidig und biegsam wie ein Birkenstamm im Wind, und man hätte nicht sagen können, ob er altersweise war oder ewig jung.
Meister Bregorin, der ihm gegenüber stand, bildete dazu einen Kontrast, wie er größer nicht sein könnte: hier der schlanke, hochgewachsene Elbe mit dem fein geschnittenen Gesicht, dort der stämmige, untersetzte Zwerg mit dem flammendroten Haar und Bart. Auch er war gerüstet, in Gold und Eisen, und die Kraft, die er verkörperte,
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