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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Das Mal auf seiner Lippe war ein schwarzer Fleck auf bleichem Gebein. Nur seine Lippen waren blutrot und die Augen, die aus einem inneren Feuer glühten.
    ›Aaaahhhh … ‹
    Keiner sagte ein Wort. Alle warteten darauf, was ihr Herr und Meister befehlen würde. Und jedermann war bereit, diesem Befehl fraglos zu gehorchen.
    ›Macht euch bereit‹, zischte die Stimme. ›Morgen ziehen wir in die Schlacht.‹
    Dunkelheit lag über dem Berg, doch in den Gewölben tief im Innern war noch keine Ruhe eingekehrt. Die Halle war dicht gedrängt mit Menschen, Elben und Zwergen. Auch wenn der unterirdische Komplex, zu dem die Hütte am Hang nicht mehr als ein Zugang darstellte, weit größer war, als es zunächst den Anschein hatte und sich tief in das Innere des Berges erstreckte, so war dies letztlich nur eine Wegstation und nicht für die Unterbringung einer ganzen Armee gedacht, von den Flüchtlingen ganz zu schweigen. Doch man hatte Platz geschaffen in den Kammern und Gängen, und die Zwerge hatten ihre Truhen voll Gold und Edelsteinen verschlossen und dafür die Vorratslager und -fässer geöffnet, so dass es für alle etwas gab: Essen und Trinken genug und warme Decken und Kleidung, soweit sie passte. Doch keiner vom Treck, selbst die Jüngsten und die Ältesten, die von den Anstrengungen erschöpft waren, wollten versäumen, dem zu lauschen, was die Herren der Freien Völker an jenem Abend zu bereden hatten.
    In der Mitte der Halle, unterhalb des Thrones, hatte man eine Tafel aufgestellt. Herr Bregorin saß an ihrem Kopf; als Gastgeber stand ihm das Recht zu, die Versammlung zu leiten. Auf der einen Seite, rechts von ihm, hatten sich die Ringträger versammelt: Burin, seinem Urgroßvater wie aus dem Gesicht geschnitten, gefolgt von Fabian und Kim. Der Ffolksmann hatte darauf bestanden, dass auch Aldo mit hinzugezogen wurde; genau genommen hatte er gar nicht erst gefragt, sondern ihm gleich einen Platz an seiner Seite zugewiesen. Aldo war es sichtlich unwohl dabei, in dieser erlauchten Runde zu sitzen, und er gab sich redlich Mühe, möglichst unauffällig zu erscheinen. Was bei einem Ffolksmann, wenn er sich wirklich Mühe gibt, dem Unsichtbarkeits-Zauber der Elben nur wenig nachsteht.
    Die Elben bildeten das andere Ende der Ratsgesellschaft. Gilfalas saß anmutig und gelassen da, als ginge es hier nicht um das Schicksal der Welt. Der Hohe Elbenfürst, der das untere Kopfende beherrschte, strahlte einen ruhigen Ernst aus, mit Heiterkeit gepaart. Neben seiner stillen Majestät wirkte Ithúriël, die zu seiner Rechten saß, wie das erblühende Leben. An ihrer Seite hockte Gwrgi, der neben so viel Schönheit umso hässlicher wirkte, auf einem Schemel.
    Es folgten Galdor als Anführer des Elbenheeres und Talmond als Fürst der Menschen. Der Anführer der Zwerge, der Ithúriël aufgefunden und hierhergebracht hatte, schloss den Kreis.
    Gorbaz saß nicht in der Runde. So weit war Herr Bregorin nicht bereit gewesen zu gehen. »Vertrauen ist eine Sache«, hatte er gesagt, »Klugheit eine andere. So schwer es mir fiele, mit einem Bolg an einem Tisch zu sitzen, so hätte ich es doch getan, um des Friedens willen. Doch mein Volk würde dies vielleicht anders sehen. Es gibt, wie man sagt, wenig Liebe zwischen Elben und Zwergen; dazu sind wir zu verschieden. Doch zwischen Bolgs und Zwergen gibt es nur Hass, und ich will nicht, dass dieser Hass unseren Ratschluss trübt.«
    Und so saß Gorbaz dort, wo Kim und Aldo ihn gerade noch ausmachen konnten, unter den Arkaden am Rande des Lichtkreises. Die Bolg-Menschen aus dem Tross der Sklaven hatten sich zu ihm gesellt. Er hatte sich den ganzen Abend im Hintergrund gehalten, und Aldo fragte sich im Stillen, was die Bolgs wohl untereinander zu bereden gehabt hatten und was hinter der Stirn seines ungeschlachten Freundes vorgehen mochte, der da halb im Licht und halb im Schatten saß.
    »Im Namen des Meisters und der Meisterin«, ergriff Herr Bregorin das Wort, und das Geraune, das die Halle erfüllt hatte, verstummte.
    Der Zwergenfürst warf einen Blick in die Runde. »Nicht leichtfertig«, fuhr er fort, »rufen wir den Namen des Göttlichen Paares an, das uns schuf und erhält. Doch dünkt mich, dass eine Versammlung wie diese in der Geschichte der Mittelreiche einzig war und ist und sein wird.
    In den Hallen von Karazkhôm sind wir zusammengerufen worden, aus fernen Landen und Zeiten. Gerufen, sage ich, obwohl ich Euch nicht zu mir gerufen habe. Dennoch ist es so, und es kein Zufall, dass

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