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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Irgendwie hatte er mit so etwas gerechnet. Er war kein Krieger, gewiss, und der Elbe war einen halben Kopf größer als er. Aber er hatte es satt, sich mit diplomatischen Feinheiten abzugeben. Er schob dem Elben das kalte Ende des Eisens unters Kinn. »Versuch es«, sagte er. »Und ich verspreche dir, du wirst es bereuen.«
    »Niemand wird hier gefesselt«, sagte Fabian. Auch seine Stimme war von Zorn erfüllt, aber es war ein Zorn so kalt wie Eis. »Wir bringen sie vor den König. Er wird entscheiden, was mit ihnen geschehen soll – mit meinem Freund und seinem Begleiter. Und mit dem da.« Irgendwie schien er immer noch nicht imstande zu sein, den Bolg als vernunftbegabtes Wesen anzuerkennen.
    Der Elbe wandte sich ab, unwillig, aber sich in die Entscheidung fügend. Gorbaz würdigte er keines Blickes mehr. Mit einem Satz hatte er das Bachufer erreicht, und mit leichten Schritten, die den Boden kaum zu berühren schienen, setzte er über die Steine, die das Kiesbett säumten, hinweg, in Richtung des Talschlusses, wo sich der Wasserfall in das schäumende Becken ergoss. Einige der anderen wandten sich ebenfalls ab, um ihm zu folgen, wenngleich sie aus den Augenwinkeln die beiden Ffolksleute und ihren vierschrötigen Gefährten misstrauisch im Blick behielten.
    »Wohin gehen sie?«, fragte Kim, der immer noch keinen Ausgang aus dem Tal erkennen konnte, außer dem Weg, den sie gekommen waren.
    »Zum verborgenen Tal«, sagte Fabian. »Dies ist der einzige Zugang von Westen her. Darum waren meine Begleiter auch so misstrauisch«, fuhr er fort. »Sie glaubten – und glauben es zum Teil wohl immer noch –, das alles könnte eine List des Feindes sein. Dass er sich euer Vertrauen erschlichen hat, um unsere geheime Zuflucht zu entdecken.«
    Immerhin bezeichnet er Gorbaz schon als ›er‹ und nicht mehr als ›das da‹, dachte Kim. Was ein Fortschritt sein mochte. Oder auch nur ein Versehen.
    »Ihr müsst Galdor verstehen«, fuhr Fabian fort. »Seine Familie hat von den Bolgs viel Unheil erlitten.« Er verstummte, und ein Schatten glitt über sein Gesicht. »So wie die meine«, fügte er hinzu.
    Die Elben und die Waldläufer, die vorangegangen waren, hatten jetzt den Rand des Sees erreicht. Das Wasser darin war aufgewühlt und brodelte von den Sturzfluten, die sich von dem Felssturz darin ergossen, doch auch ohne dies konnte man sehen, dass er tief war. Zur Rechten wie zur Linken ragten lotrecht die Wände empor.
    »Und wohin jetzt?«, konnte sich Kim nicht enthalten zu fragen.
    »Warte, und sieh!«
    Die Vorhut wandte sich nach rechts, um den See herum, und dann entlang der Felswand, die bis an das Wasser reichte, und weiter. Sie schienen an der Wand zu kleben, doch ihre Füße gingen auf festem Grund, und plötzlich erkannte Kim, worin das Geheimnis lag: Ein schmales Gesims, das von ferne mit bloßem Auge nicht zu erkennen war, weil es sich nahtlos in die Maserung des Felsens einpasste, führte um den See herum – direkt auf den Wasserfall zu.
    Vorsichtig setzte Kim den Fuß auf das Felsband. Der Stein war nass, aber in die Oberfläche des Felsens waren mit einem feinen Meißel Riefen eingehauen, die das Wasser sofort abfließen ließen.
    »Wenn jetzt Burin hier wäre, würde er sagen: ›Zwergenwerk …‹«
    »›… ist für die Ewigkeit!‹« Fabian musste fast schreien, um sich verständlich zu machen; das Tosen des Wassers war zu laut. »Gut erkannt, mein Freund, das ist wirklich ein Werk der Zwerge, denn …«
    Der Rest seiner Worte verging in einem schrillen, angsterfüllten Wiehern.
    Kim wandte sich um. Hinter Fabian sah er Aldo, der mit dem Esel kämpfte. Die Augen des Tieres waren so weit aufgerissen, dass man das Weiße darin sah. Die Enge, das schäumende Wasser, der schmale Fels – das alles war zu viel für sein kleines Gehirn. Es sah sich in eine Falle getrieben, und für nichts und niemanden auf der Welt würde es noch einen Schritt weiter gehen.
    Gorbaz knurrte etwas, das Kim nicht verstand, packte den Zügel und riss daran.
    Doch diesmal war der Esel nicht zu besänftigen. Er fletschte die gelben Zähne und schnappte nach Gorbaz’ Arm. Nur durch eine reflexhafte Bewegung entging der Bolg dem Biss. Er hob die Faust zu einem Schlag.
    »Ruhig!« Fabian wandte sich katzenhaft auf dem schmalen Sims um und platschte ins Wasser; zum Glück war es an dieser Stelle noch nicht sehr tief. »Gewalt hilft hier nicht. Lasst mich es versuchen.« Er nahm den Zügel an sich und näherte sich dem Tier von der Seite.

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