Die Herren der Zeit
wandte. »Diese … Halblinge stehen unter meinem Schutz. Wir bringen sie zum König.«
»Ich bin kein Halbling«, wollte Kim protestieren, »ich bin ein …« Doch bevor er ›Ffolksmann‹ sagen konnte, unterbrach er sich selbst. Ihm klang das Gelächter noch in den Ohren, das dieses Wort bei den finsteren Legionären hervorgerufen hatte.
»Zum König?«, fragte er daher nur, ein wenig dümmlich, wie ihm selbst klar war.
»Geduld«, meinte Fabian, und ein leiser Schalk blitzte in seinen Augen auf. Doch bevor er etwas Näheres erklären konnte, trat einer der Waldleute auf ihn zu. Es war der weißhaarige Elb, der zuvor mit seinem Pfeil auf sie gezielt hatte.
»Und was ist mit dem da?«, fragte er. »Wollt Ihr es etwa mitnehmen, dieses nad-beleg , damit es uns verraten kann, wenn die Zeit gekommen ist. Ich sage, lasst es uns töten, besser hier und jetzt als später.«
Der Bolg stand noch immer in der gleichen, angespannten Haltung da, die Eisenstange halb zum Schlag erhoben. Von seinem ledrigen Gesicht und in den dunklen Augen war nicht das Geringste abzulesen, weder ob Furcht ihn beherrschte noch Hoffnung, noch Verzweiflung, wenn er überhaupt solcher Gefühle fähig war.
Fabian wirkte einen Moment unschlüssig, was er sagen sollte.
Kim packte der Zorn, und er sagte, ohne auch nur darüber nachzudenken: »Gorbaz ist kein ›Bolg-Ding‹! Er hat uns das Leben gerettet. Wenn er nicht mitkommen darf, dann gehen wir auch nicht. Wohin auch immer …«, fügte er hinzu.
Fabian war zu einem Entschluss gekommen. »Also gut.« Und an den Elben gewandt: »Wenn mein Freund für ihn bürgt, dann genügt mir das.«
»Aber mir nicht.« Der Elb spuckte auf den Boden. »Wenn er mitkommt, dann verlange ich, dass er entwaffnet und gefesselt wird.«
Gorbaz trat einen Schritt zurück und packte die Eisenstange fester. Die Elben hoben ihre Bögen.
»Um des Friedens willen«, meinte Fabian, an Kim gewandt, »kannst du ihn vielleicht überzeugen, dass es nicht anders geht.«
»Du kannst auch selbst mit ihm sprechen«, gab Kim hitzig zurück. »Er ist kein Tier. Er kann reden.«
Doch bevor Fabian auch nur Gelegenheit hatte zu reagieren, sprach der Bolg mit seiner tiefen, grollenden Stimme:
»Nein. Keine Fesseln.«
Seine verschorften Handgelenke, die von den Ketten der Legion wund gerieben worden waren, waren unter der Anspannung der Muskeln wieder aufgebrochen. Blut lief ihm die Unterarme hinab. »Nie mehr Fesseln. Ich bin Gorbaz. Ich kämpfe.«
Aldo stand etwas unschlüssig neben ihm. Auch er hielt noch seinen Stock in der Hand. Aber gegen die Übermacht, die sie von allen Seiten mit gespannten Bögen und gezückten Schwertern und Lanzen umgab, war ein Kampf aussichtslos.
Kim seufzte. Er hatte das Gefühl, als sei er hier in ein Spiel geraten, das seit langem nach bestimmten Regeln ausgetragen wurde, auf die sich alle geeinigt hatten – nur dass er sie leider nicht kannte. Also brauchte er sich auch nicht daran zu halten.
»Schließen wir einen Kompromiss«, sagte er. »Wir geben unsere Waffen ab …«
»Nein!«, knurrte der Bolg.
»… wir geben unsere Waffen ab«, wiederholte Kim ungerührt, »wir alle, und niemand wird gefesselt. Schau, ich mache den Anfang.« Er bückte sich und nahm ganz langsam und vorsichtig, damit niemand seine Absicht missverstand, Knipper auf, den er achtlos ins Gras geworfen hatte, und reichte ihn Fabian, mit dem Heft voran. »Jetzt du«, winkte er Aldo zu.
Dieser zögerte nur einen winzigen Moment, dann legte er den Stock, der seine einzige Waffe war, einem nahe stehenden Waldläufer in die Hände.
»Und jetzt du, Gorbaz.«
Der Bolg rührte sich immer noch nicht. Der Elbe, der sich als Wortführer hervorgetan hatte, drängte sich an Kim vorbei. »Gib her!« Gorbaz hob die Stange, aber er griff nicht an. Er schien zu überlegen.
»So geht das nicht«, sagte Kim und schob nun seinerseits den Elben beiseite. »Gib mir die Stange, Gorbaz. Bitte. Vertrau mir.«
Der Bolg senkte die Waffe. Dann legte er sie langsam, mit Bedacht, in Kims ausgestreckte Hand. Es hatte etwas Rührendes, wie seine mächtige Pranke ihren Griff löste. Kims Arm sackte sofort herunter; das Eisending war schwerer, als er gedacht hatte. Welche Kraft musste in diesem grobschlächtigen Wesen stecken!
»Und jetzt«, sagte der Elbe, »fesselt ihn!«
Der Befehl kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. In dem Augenblick der Überraschung, als keiner sonst etwas tun oder sagen konnte, wuchtete Kim die Eisenstange hoch.
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