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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Erklärung zuteil werden. Hab Geduld. Es ist nur noch ein kurzer Weg.«
    Sie stiegen von dem kleinen Plateau, auf das der unterirdische Gang gemündet hatte, hinab ins Tal. Der erste Teil des Abstiegs war mit steingehauenen Stufen in Form einer Treppe gestaltet, doch als die Neigung flacher wurde, wurden auch die Treppenstufen breiter und endeten schließlich auf einem geharkten Weg.
    Erst jetzt, als sie sich dem Talboden näherten und die blühenden Haine heranrückten, waren zwischen den Bäumen Ansiedlungen zu erkennen: filigrane Bauwerke mit spitzen Bögen und feingeschnitztem Maßwerk, die sich harmonisch in die umgebende Natur einfügten; so bauten seit jeher die Elben, wie Kim aus alten Schriften wusste. Dazwischen sah man jedoch auch festere Behausungen, Menschenwerk aus behauenen Bohlen und gezimmertem Fachwerk mit Wänden aus weißem Lehm. Aus gemauerten Kaminen kräuselte Rauch empor und zerfaserte dann in der Höhe, wo die Winde über die Berggipfel fegten. Drunten im Tal jedoch war alles still; die Luft war klar und lind, und es duftete nach frischem Gras, dass Alexis die Ohren spitzte.
    Doch was sie am Fuß der Treppe erwartete, ließ die Hoffnung auf einen friedlichen Tag entschwinden. Die Elben, die ihnen vorausgeeilt waren, hatten sich dort versammelt; waffenstarrend versperrten sie ihnen den Weg, und ihre Blicke waren alles andere als friedlich.
    Fabian aber schien das nicht zu kümmern. Mit langen Schritten ging er voran, direkt auf die Krieger zu, und sie machten ihm widerwillig Platz, um eine Art Spalier zu bilden. So, mit einer Eskorte zur Rechten und zur Linken, eher Gefangenen als Gästen ähnlich, gingen sie weiter, Fabian an der Spitze, gefolgt von seinem treuen Esel, dann Kim und Aldo, Hand in Hand, und Gorbaz bildete den Schluss, mit einem Trupp von Waldläufern als Nachhut. Wenn die grimmigen Mienen ihrer Begleiter nicht gewesen wären, hätte es fast komisch wirken können. Aber so verging den Ffolksmännern das Lachen. Und der Bolg lachte sowieso nicht.
    Der Weg zog sich in langen Schwüngen durch das Grasland, bis er zwischen den Bäumen verschwand. Dort folgte er weiter seinen eigenen Windungen, wie es der Natur von Wegen entspricht, die nicht von Menschenhand in einen geraden Verlauf gezwungen werden. Man sah immer nur ein Dutzend Schritte voraus, und auch rechts und links des Weges war nur wenig zu erkennen. Manchmal glaubte man, Gestalten zwischen den Baumstämmen vorbeihuschen zu sehen, aber wenn man den Blick darauf heften wollte, war keiner da. Einmal sah Kim ein kleines Mädchen, ein Menschenkind, unter den Bäumen stehen, das sie mit großen Augen ansah, bis es von einer herbeieilenden Frau gepackt und fortgezogen wurde.
    Sie mochten etwa eine Viertelstunde so gegangen sein, als sie um eine Biegung ins Freie traten.
    Der Übergang kam so plötzlich, dass Kim fast gestolpert wäre; so lief er noch ein paar Schritte weiter wie ein kopfloses Huhn und blieb dann stehen.
    Vor ihnen erhob sich auf einer großen Lichtung ein Hügel, und auf dem Hügel erhob sich ein Bauwerk, wie es keines Zwergen Kunst und keines Menschen Geist je hätte errichten können.
    Es wirkte eher wie ein Tempel als wie ein Haus; denn es war rund wie der Hügel, auf dem es stand. Es wurde gebildet aus einem Kreis von lebenden Bäumen, der sich um den Rand des Hügels zog. Die Äste und Zweige waren zu Streben verwoben, und zwischen den Stämmen hatte man Fenster aus perlmuttfarbenem Glas eingelassen. Über die grünen Kronen der Bäume ragte eine Kuppel auf, die aus verschiedenen Hölzern geschnitzt war: Weißbirke, Esche und Erle, Ahorn und Linde, mit dunkleren Tönen von Eiche und Kirsche, doch alles davon blank und frisch wie am ersten Tag, als es geschnitten wurde. Und über dem vielfach durchbrochenen Maßwerk öffnete sich das Auge der Kuppel in einer Krone aus Apfelholz zum Himmel.
    »Dies ist das Herz des Elbentums auf Erden«, sprach Fabian neben ihm leise. »Diese Halle schuf der Hohe Elbenfürst selbst, in den Tagen, als die Mittelreiche noch jung waren.«
    Voller Staunen ging Kim weiter. Der Weg führte den flachen Hang hinauf durch ein hohes Portal mit spitzem Gewände. Als sie näher kamen, wurden die Türflügel aufgetan, und als Kim hindurchtrat, sah er zur Rechten und zur Linken weitere Baumreihen, die sich in der Krümmung verloren und nach oben hin zu einem durchlässigen Gewölbe vereinten. Sonne blitzte zwischen dem Geäst und blauer Himmel; dennoch war es kühl wie in einer großen Halle

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