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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Rothschild war die Verkörperung des französischen Aristokraten. Er war groß und schlank, stets in seine altmodische Bankiersuniform mit Gehrock und Zylinder gekleidet und war mit 37 Jahren Seniorpartner bei Rothschild Frères geworden. Trotz seines arroganten Benehmens war er schüchtern, fast verschlossen, vorsichtig und altmodisch – ein echter Konservativer. Die Bank der Familie passte zu seinem Charakter. Ein Ort, wo, wie sein Sohn Guy es ausdrückte, »die Vergangenheit an allem und jedem hing«, und dessen Hauptzweck darin bestand, »das 19. Jahrhundert behutsam zu verlängern.«
    Er war eine vertraute Figur in den besten Clubs von Paris, ein intimer Freund Edwards VII. und ein bekannter Philanthrop, der vor allem jüdische Wohlfahrtsorganisationen großzügig bedachte. In der Öffentlichkeit war er vor allem für seine Rennpferde bekannt; während der Saison war er Stammgast in Longchamps. Er war aber nicht nur irgendein reicher Züchter und Besitzer von Vollblütern, sondern auch selbst ein geschickter Reiter, der für Frankreich am Poloturnier bei den Olympischen Spielen 1900 teilgenommen hatte.
    In der Welt der Banken weckten der Name Rothschild und der große Reichtum der Familie sowohl Ehrfurcht als auch Groll. Es gab viele antisemitische Anspielungen auf ihren politischen Einfluss. Eine übertriebene Einschätzung lautete, dass zwischen 1920 und 1940 »kein Kabinett gebildet wurde, ohne dass man zuvor Édouard de Rothschild gefragt hätte.« Édouard war ein junger Mann von 27 Jahren, als 1894 die Dreyfus-Affäre ausbrach. Als man Dreyfus öffentlich degradierte, hatte ein wütender Pöbel geschrieen » A Mort les Juifs !« – »Tod den Juden!« Danach beschloss er, dass die Rothschilds sich zurückhalten, nicht in den Zeitungen auftauchen und ihr Privatleben schützen sollten – obwohl er einmal einen Mann zum Duell forderte, als er sich zu Recht über eine antisemitische Verleumdung aufregte. 34
    Wenn Édouard de Rothschild das glamouröse Gesicht der »Mauer des Geldes« war, dann war François de Wendel ihr eher finsteres Antlitz. Die Wendels gehörten zu den großen Waffenfabrikanten Europas, waren seit über 250 Jahren Waffenschmiede in Lothringen und hatten unter anderem schon an Napoleon Bonaparte Waffen geliefert. Im Zweiten Kaiserreich hatten sie diversifiziert und eines der größten Stahlimperien Europas aufgebaut. 1914 war der Name Wendel in Frankreich ebenso ein Synonym für Stahl wie Carnegie in den USA.
    In der französischen Ausgabe des Who’s Who bezeichnete François de Wendel seinen Beruf einfach als »Maître de Forges« – Hüttenmeister. Er sah aber nicht so aus. Sein fliehendes Kinn verlieh ihm das Aussehen »einer großen, freundlichen Ente.« Er lebte zurückgezogen in einem Herrenhaus in der Rue de Clichy Nr. 10, was nicht das eleganteste und extravaganteste Viertel der Hauptstadt war. Die Wochenenden verbrachte er gern in seinem privaten Jagdrevier ganz in der Nähe von Paris, wo er sich als begeisterter, aber nicht sehr talentierter Schütze betätigt haben soll.
    Wendel war ein gewählter Abgeordneter der Nationalversammlung, was für einen Regenten der Banque de France ungewöhnlich war, und überließ seinen beiden Brüdern die Führung des riesigen Stahlimperiums. 1918 wurde er Präsident des Comité des Forges, des überaus mächtigen Industrieverbands der Eisen-, Stahl- und Waffenfabrikanten.
    Moreau brauchte eine gewisse Hartnäckigkeit und Zähigkeit, um es mit den beiden mächtigsten seiner eigenen Regenten aufzunehmen. Aber während einer 30-jährigen Laufbahn im höheren Beamtendienst hatte er eine bemerkenswerte Geschicklichkeit darin entwickelt, innerhalb der Regierungsmaschinerie zu operieren. Auf diplomatisches Geschick oder Charme verließ er sich mit Sicherheit nicht – er hatte keines von beidem. Außerdem hatte er nach Jahren an der Peripherie der Macht und ohne Präsenz in den Salons von Paris nur ein begrenztes Netzwerk politischer Verbündeter. Sein großer Mentor Caillaux, der ihm durch das Labyrinth der französischen Machtstrukturen hätte helfen können, wurde schon wenige Wochen nach seiner Ernennung entlassen. Es war wenig hilfreich, dass Poincaré ein langjähriger Feind von Caillaux war und Moreau von Anfang an mit einiger Feindseligkeit und Misstrauen als Übergangslösung betrachtete.
    Aber Moreau erwies sich als außergewöhnlich geschickt, was den bürokratischen Nahkampf betraf. In seinen Tagebüchern zeigte er ein natürliches

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