Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
gewachsene Durant war ein natürliches Verkaufstalent; charmant, mit freundlicher, aber entschlossener Stimme, einem gewinnenden Lächeln und ansteckendem, unerschütterlichem Optimismus sowie ungewöhnlicher Überzeugungskraft. Nachdem er eines der landesweit größten Unternehmen für die Herstellung von Kinderwagen aufgebaut hatte, kaufte er 1903 die Buick Motor Company, einen von damals Hunderten von Autoherstellern in den USA. Und in den folgenden acht Jahren erwarb er eine ganze Reihe weiterer kleiner Autofirmen – darunter Oldsmobile, Cadillac und Pontiac –, deren Namen so vertraut geworden sind, dass sie fast zu einem Teil der Alltagssprache wurden.
Abbildung 4: US-Aktienkurse und Unternehmensgewinne: 1900 bis 1926
Von 1900 bis 1926, mit Ausnahme der Kriegsjahre, folgten die Aktienkurse den Gewinnen.
1910 verlor Durant die Kontrolle über General Motors (GM) an seine Bankiers, nachdem er sich übernommen und zu stark verschuldet hatte. Statt aufzugeben, gründete der unermüdliche Durant mit dem Rennfahrer Louis Chevrolet eine neue Autofirma. Damit war er so erfolgreich, dass er 1915 seine alte Firma General Motors, die inzwischen börsennotiert war, im Rahmen einer feindlichen Übernahme zurückkaufen konnte. Aber in der Rezession der Nachkriegszeit übernahm er sich erneut, und so verlor er 1920 zum zweiten Mal seine Firma, diesmal an die Familie Du Pont.
Als die Du Ponts ihren Anteil an General Motors kauften, produzierte die Firma 250 000 Autos pro Jahr, verdiente 30 Millionen Dollar und wurde an der Börse mit etwas mehr als 200 Millionen Dollar bewertet. Unter dem neuen, professionellen Management wurde General Motors zum erfolgreichsten Unternehmen des Landes und zum Liebling der Wall Street. 1915 stellte GM pro Jahr über 800 000 Autos her, 25 Prozent der Autoproduktion im ganzen Land, und verdiente 110 Millionen Dollar. In diesen vier Jahren vervierfachte sich der Aktienkurs von 25 auf über 100 Dollar je Aktie.
Gestützt von wachsenden Unternehmen wie General Motors wuchs der Aktienmarkt während der Coolidge-Hausse zu einer Art finanziellem Monstrum heran. Mitte der 1920er-Jahre wurde jedes Jahr eine Milliarde Dollar in neue Investments gesteckt, die Zahl der börsennotierten Unternehmen hatte sich verfünffacht und der Gesamtwert der Aktien war von 15 Milliarden Dollar 1913 auf 30 Milliarden Dollar 1925 gestiegen.
Die Börse war nicht der einzige Profiteur des Wirtschaftswachstums. Der massiv steigende Aktienmarkt wurde von einem Immobilienboom in Florida begleitet. Seit dem Krieg war Florida durch eine immense Einwanderung von Menschen überflutet worden, die sich vom Klima angezogen fühlten – innerhalb von fünf Jahren hatte sich die Einwohnerzahl von Miami mehr als verdoppelt. All das Geld, das in diesen Staat floss, hatte am Immobilienmarkt Raserei ausgelöst. Angelockt von Broschüren, die elegante Palmen, goldene Strände, sonnenverwöhnten Himmel und laue Brisen versprachen, aber irgendwie vergaßen, die Wirbelstürme und die Mangrovensümpfe zu erwähnen, begannen die Leute bedenkenlos Land zu kaufen. Neue Wohnsiedlungen wie Coral Gables und Hollywood-by-the-Sea entstanden über Nacht. Von Palm Beach bis Miami und in den Städten an der Golfküste explodierten die Preise. Ein Stück Land in Palm Beach, das vor dem Boom eine Viertelmillion Dollar wert gewesen war, kostete Anfang 1925 fast fünf Millionen Dollar. Leerstehende Parzellen, früher ein paar hundert Dollar wert, wurden nun für 50 000 Dollar verkauft.
Es ist nicht schön, zusehen zu müssen, wie andere Leute reich werden, vor allem wenn sie das über Nacht und ohne jede Anstrengung schaffen. Es war daher unvermeidlich, dass all diese frenetische Aktivität – der boomende Aktienmarkt, die Neuemissionen, all das Gerede über ein neues Zeitalter, die Käufe und Verkäufe von Immobilien in Florida – zu einem Chor von Stimmen führte, die verlangten, die Fed solle etwas gegen diese »Spekulationsorgie« tun. Dieser Ausdruck sollte in den kommenden Jahren so abgedroschen werden, dass er jede Bedeutung verlor.
An der Spitze dieser Bewegung stand der stets streitsüchtige Adolph Miller. Seine Feindseligkeit gegen den Kursanstieg am Aktienmarkt beruhte, wie so viele seiner Argumente, auf verschiedenen Missverständnissen. Da gab es zum Beispiel die irrige Meinung, ein steigender Aktienmarkt »absorbiere« Geld vom Rest der Wirtschaft. Das ist natürlich reiner Unsinn, denn für jeden Aktienkäufer gibt es
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