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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Norman sein berühmter Charme zu verlassen. Ohne Grund gab er sich herablassend, und obwohl er fließend Französisch sprach, bestand er darauf, während des ganzen ersten Treffens mit Moreau, der keine Fremdsprachen beherrschte, Englisch zu sprechen.
»Mr. Norman kam um elf Uhr«, schrieb Moreau in sein Tagebuch. »Auf den ersten Blick ist er sehr liebenswert. Er scheint einem Gemälde von van Dyck entsprungen zu sein, groß gewachsen, Spitzbart, ein großer Hut: Er hat das Auftreten eines Gefährten der Stuarts. Man sagt, in seinen Adern fließe israelitisches Blut. Ich weiß davon nichts, aber Mr. Norman schien, vielleicht deshalb, voller Verachtung für die Juden zu sein, über die er sehr Schlechtes sagte. Er mag die Franzosen nicht. Er sagte mir wörtlich: »Ich würde der Banque de France sehr gern helfen. Aber ich verachte ihre Regierung und ihr Finanzministerium. Für sie werde ich überhaupt nichts tun.« Andererseits scheint er tiefste Sympathie für die Deutschen zu empfinden. Mit Dr. Schacht pflegt er ein sehr vertrautes Verhältnis. Sie sehen einander oft und hecken Geheimpläne aus. … Dennoch ist Mr. Norman vor allem zutiefst englisch, und das macht ihn sehr glaubwürdig. Er ist ein Imperialist, der für sein Land, das er leidenschaftlich liebt, die Herrschaft über die Welt anstrebt. … Er liebt die Bank of England. Er sagte mir: »Die Bank of England ist meine einzige Liebe. Ich denke nur an sie und habe ihr mein Leben gewidmet.« Er ist kein Freund von uns Franzosen. Er ist sehr geheimnisvoll, extrem kompliziert, man erkennt nie die Tiefe seiner Gedanken. Dennoch ist er, wenn er will, sehr liebenswürdig. … Norman scheut keine Mühe, um [Strong] zu schmeicheln oder Einfluss über ihn zu gewinnen. Er fuhr für einige Tage nach Antibes, nur weil Strong sich dort aufhielt.«
    Ein offizieller Vertreter der Bank of England, der Norman begleitet hatte, beschrieb den Eindruck, den Moreau auf ihn gemacht hatte, später so: »Dumm, halsstarrig, ohne Phantasie und generell ohne Verständnis, aber ein großartiger Kämpfer für engstirnige und gierige Ziele.«
    Im Prinzip wiederholte Norman die Bedingungen für finanzielle Hilfe, die schon Strong festgelegt hatte: eine Änderung der Statuten, um dem Präsidenten der Banque de France die Sicherheit zu geben, sein Amt zu behalten sowie die Ratifizierung der britischen und der amerikanischen Vereinbarungen über die Kriegsschulden. Moreau versuchte, beiden Männern die politischen Probleme bei der Umsetzung dieser Maßnahmen klarzumachen, vor allem des Versuchs, in politisch derart schwierigen Zeiten die Statuten der Banque zu ändern. Viele Politiker waren zornig auf die Banque, weil sie auf ihren verbliebenen Goldreserven saß, während die Währung im selben Jahr kollabierte.
    Moreau hatte eine rasche Lektion über die Funktionsweisen der internationalen Kapitalmärkte erhalten: Finanzielle Hilfe war ein »Rohstoff«, den die anderen Zentralbankiers »nur zu einem hohen Preis … verkaufen wollten.« Er würde das nicht vergessen. Seiner Meinung nach waren die dunklen Machenschaften Normans und seine Abneigung gegen die Franzosen daran schuld, dass die Zentralbankiers Frankreich nicht zu Hilfe kamen.
    Am 21. Juli wurde Raymond Poincaré gebeten, ein Kabinett zusammenzustellen. Er war damals der berühmteste und erfahrenste Politiker in Frankreich. Er war schon seit 40 Jahren Politiker – zweimal Premierminister von 1912 bis 1913 und von 1922 bis 1924 und Präsident der Republik in den schicksalhaften Krisen- und Kriegsjahren von 1913 bis 1920. Obwohl er formal keiner Partei angehörte, war er ein Mann der Mitte, der in vielerlei Hinsicht über den politischen Streitigkeiten stand. Er hatte zwar 1923 die desaströse und teure Entscheidung vorangetrieben, das Ruhrgebiet zu besetzen, was Frankreich isoliert und geschwächt hatte, aber er war auch dafür verantwortlich, dass der Dawes-Plan in Gang gekommen war. Seine deutschfeindliche Einstellung hatte sich in den vergangenen drei Jahren erheblich abgemildert. Innerhalb von zwei Tagen verkündete er eine Regierung der nationalen Einheit, die das ganze Spektrum der politischen Meinungen umfasste – mit Ausnahme der Sozialisten – und sechs frühere Premierminister zu ihren Mitgliedern zählte.
    Was in den folgenden Tagen passierte, illustriert die überwältigende Kraft, die psychologische Faktoren damals auf den Devisenmarkt ausübten. Am Tag als Poincaré Premierminister wurde, berührte der Wechselkurs

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