Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
ist«, schrieb Norman zurück. »Was unsere Funktion in diesen zehn oder zwölf Jahren auch gewesen sein mag … Deine frühen Träume haben der Welt ein Ziel gesetzt, die damals blind und ungläubig war. Jetzt sind Deine Träume wahr geworden.«
Nach seiner Rückkehr nach New York am 15. Oktober unterzog sich Strong einer Operation wegen innerer Blutungen. Am nächsten Tag starb er an einer schweren Nachblutung im Krankenhaus. Er war erst 55 Jahre alt.
Dieser Schlag traf Norman sehr hart. »Nach Bens Tod bin ich verzweifelt und einsam«, schrieb er an einen Freund. Sie waren einander für lediglich sieben Jahre sehr nahe gewesen. Aber in dieser Zeit war ihre Freundschaft für jeden von ihnen äußerst wichtig geworden. Norman musste bald feststellen, dass Strongs Tod ihn nicht nur seines besten Freundes, sondern auch eines großen Teils seiner Macht beraubt hatte.
Teil IV:
E INEN S TURM ERNTEN – 1928 BIS 1933
16. Hinein in den Strudel
1928 bis 1929
Zu bestimmten Zeiten gibt es viele dumme Leute,
die viel dummes Geld besitzen … Manchmal … ist das Kapital
dieser Leute – das blinde Kapital, wie wir es bei uns nennen –
besonders umfangreich und gierig; es sucht jemanden,
der es verschlingt, und es entsteht ein »Übermaß«;
es findet jemanden, und es entsteht »Spekulation«;
es wird verschlungen, und es entsteht »Panik«.
Walter Bagehot
Jesse Livermore, der legendäre Bär von der Wall Street, bemerkte einmal, dass »man Aktien schlagen kann, aber dass niemand den Aktienmarkt schlagen kann.« Damit meinte er, es sei zwar möglich, die Faktoren zu prognostizieren, die eine bestimmte Aktie steigen oder sinken lassen, aber der Gesamtmarkt werde von Ebbe und Flut des Vertrauens bewegt; von einer Kraft, die so ungreifbar und flüchtig ist, dass die meisten Menschen sie nicht wirklich erkennen können. Es sollte keinen besseren Beweis dafür geben als die Aktienmarktblase der späten 1920er-Jahre und den folgenden Crash. 42
Wie alle Spekulationsblasen begann auch diese mit einer konventionellen Hausse, die fest in der ökonomischen Realität verwurzelt war und von steigenden Gewinnen angetrieben wurde. Von 1922 bis 1927 stiegen die Gewinne um 75 Prozent, und der Markt stieg entsprechend. Nicht jede Aktie verzeichnete dabei einen Kursanstieg. Von Anfang an war der Markt der 1920er-Jahre so gespalten wie die Wirtschaft selbst. Die »alte Wirtschaft«, also Textilien, Kohle und Eisenbahnen hatte Probleme, weil Kohle gegenüber Öl und Elektrizität an Boden verlor und die neue Lastwagenbranche die Eisenbahnen hinter sich ließ, während die »neue Wirtschaft« der Automobile, Radios und Haushaltsgeräte exponentiell wuchs. Von den etwa 1 000 an der New York Stock Exchange gelisteten Unternehmen stiegen und sanken in etwa gleich viele.
Die ersten Anzeichen für die Auswirkungen anderer, eher psychologischer Faktoren gab es Mitte 1927 bei der Zinssenkung durch die Fed nach dem Treffen auf Long Island. Die Dynamik zwischen Börsenkursen und Gewinnen schien sich zu verändern. In der zweiten Jahreshälfte sprang der Dow um ungefähr 30 Prozent von 150 auf etwa 200, obwohl sich die Unternehmensgewinne abschwächten. Es war immer noch nicht klar, ob es sich hier um eine Spekulationsblase handelte, denn man konnte argumentieren, der Gewinnrückgang sei nur vorübergehend – eine Folge der moderaten Rezession, die entstand, weil Ford seine Fabriken schloss, um die Produktion vom Modell T auf das Modell A umzustellen –, und dass die Aktienkurse eine Gewinnerholung im folgenden Jahr antizipierten. Der Markt benahm sich immer noch vernünftig, stieg mit wenigen Unterbrechungen weiter und zeigte nichts von den ein wenig verrückten, unberechenbaren Bewegungen und vom frenetischen Handel, der noch kommen sollte.
Es war im Frühsommer 1928, der Dow stand etwa bei 200, als der Markt in der Tat seine Verbindung mit der ökonomischen Realität verlor und abhob in geradezu unvorstellbare Gefilde der Phantasie. In den folgenden 15 Monaten stieg der Dow von 200 auf 380, womit er seinen Wert knapp verdoppelte.
Nun handelte es sich ganz offensichtlich um eine Spekulationsblase; nicht nur wegen der Tatsache, dass der Anstieg der Aktien jetzt in keinem Verhältnis zum Anstieg der Unternehmensgewinne mehr stand – denn während sich der Wert der Aktien verdoppelte, behielten die Gewinne ihr stetiges Wachstum um etwa zehn Prozent pro Jahr bei. Der Markt zeigte sämtliche klassischen Symptome einer Manie: die immer
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