Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Politik, die amerikanischen Zinsen niedrig zu halten, um das Pfund zu stützen, gescheitert war. Sie hatte das grundlegende Problem der britischen Wirtschaft nicht gelöst – dass die Preise zu hoch waren und die Währung überbewertet. Außerdem hatte er unabsichtlich den Anstoß für die sich weiter aufblähende Blase an der Wall Street geliefert. Und das hatte ihm ständige Kritik im Inland wegen seiner übertriebenen Konzentration auf internationale Angelegenheiten eingebracht. In diesem Sommer beschuldigte ihn die Chicago Tribune, er habe »wachsende Spekulation am Aktienmarkt geschaffen … wie ein Schneeball, der einen Hügel herabrollt« und forderte seinen Rücktritt.
Mittlerweile war er erschöpft und desillusioniert, vor allem, was die streitsüchtigen Europäer betraf. Seine Ärzte warnten ihn, er solle aufhören zu arbeiten, wenn er weiterleben wolle. Seine Lungen versagten allmählich. Er erkrankte an einer Gürtelrose, die sein Gesicht bedeckte, ihn zeitweise auf einem Auge erblinden ließ und seine Sehschärfe auf dem anderen Auge schädigte. Der Virus löste eine massive Nervenentzündung aus, und die starken Morphiumdosen, die es ihm ermöglichten zu arbeiten, hatten sein Verdauungssystem zerstört. Die Tuberkulose in seinem linken Lungenflügel war zurückgekehrt, und er erkrankte ein weiteres Mal an einer Lungenentzündung.
Im Mai 1928 fuhr Strong nach Europa. Er hatte sich schon dazu entschieden, seinen Rücktritt einzureichen. Ironischerweise scheint er nahe davor gewesen zu sein, so etwas wie persönliches Glück zu finden. 1926 hatte ihm seine Exfrau Katharine einen Brief geschrieben, in dem sie ihre Fehler in der Vergangenheit bedauerte und um eine Versöhnung bat. Er schrieb zurück und meinte, dies sei nicht möglich, wobei er seine Krankheit als Grund nannte. Allerdings hatte er 1928 ein Verhältnis mit einer wesentlich jüngeren Frau begonnen: einer Opernsängerin, die er heiraten wollte.
Er mied London absichtlich und kam in der dritten Maiwoche in Cherbourg an. Norman fuhr schnell dorthin, um ihn zu treffen. Diese letzte Begegnung verlief problematisch. Strong verlor die Kontrolle über sich und versuchte Norman davon zu überzeugen, dass er selbst sein schlimmster Feind sei. Er ermahnte seinen Freund »in der heftigsten Wortwahl«, dass Moreaus Sterling-Reserven als »Damoklesschwert« über der Bank of England hingen, und dass es für Normans Position »unglaublich dumm« wäre, sich mit den Franzosen zu streiten, weil er so »vollständig abhängig vom guten Willen der Banque de France« sei. Sie schieden im Unfrieden voneinander. Strong schrieb im Sommer zwar noch einen Brief, um sich wieder mit Norman zu versöhnen, aber Freunden gegenüber beklagte er sich über Normans obsessiven Machtanspruch innerhalb Europas.
Die Belastungen durch die Meinungsverschiedenheiten mit Strong und die Spannungen mit den Franzosen schwächten allmählich Normans Nervenkostüm. Als die Belastungen immer größer wurden, zog er sich mehr und mehr in sich selbst zurück und weigerte sich, seine Kollegen ins Vertrauen zu ziehen. Einmal starteten einige langjährige Direktoren der Bank eine Aktion der Kooperationsverweigerung, indem sie sich ostentativ enthielten, bei den wöchentlichen Treffen des Komitees im Finanzministerium das Wort zu ergreifen. Dieses Komitee setzte in der Regel die Politik des Verwaltungsrats fest. Die stärker werdenden Stimmungsschwankungen des Präsidenten entgingen niemandem. »In dem einen Moment lächelte er, im nächsten Moment setzte er ohne offensichtlichen Grund ein Gesicht wie eine Gewitterwolke auf«, erinnerte sich ein Kollege. Er ließ seine Wutanfälle an der Belegschaft aus. Einmal warf er mit einem Tintenfass nach dem Rechnungsprüfer Sir Ernest Harvey, und seine Anfälle »nervlicher Erschöpfung« schienen sich zu häufen. Mitte Februar 1928 kollabierte er und musste einige Tage lang das Bett hüten. Eine Woche später passierte dies erneut. Mitte März musste er drei Wochen Urlaub nehmen und sich auf Madeira erholen. Einige Wochen nach dem schwierigen letzten Treffen in Cherbourg nahm er sich eine dreimonatige vollständige Auszeit in Südafrika und kehrte erst Anfang September zu seiner Arbeit zurück.
Strong verbrachte einen melancholischen Sommer in Frankreich. Nach einigen Wochen in Paris reiste er nach Evian und Grasse in Südfrankreich. Im Juli teilte er Norman brieflich seinen Entschluss zum Rücktritt mit. »Wie schwer und grausam das Leben doch
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