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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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geringere Zahl der Aktien, deren Kurse noch stiegen, die landesweite Faszination wegen der Aktivitäten an der Börse, das vorübergehende Geschwätz von einem neuen Zeitalter, die Ausschaltung aller konventionellen Standards der finanziellen Vernunft und die Entstehung einer zusammengewürfelten Armee amateurhafter, schlecht informierter Spekulanten, die auf Basis von Gerüchten und Tippblättern agierte.
 
 
    Abbildung 5: Amerikanische Aktienkurse und Unternehmensgewinne: 1922 bis 1936

    Die Spekulationsblase begann im Herbst 1927.
    1929 hatten zwei bis drei Millionen Haushalte, jeder zehnte im Land, Geld investiert und waren an der Börse engagiert. Aktiengeschäfte waren inzwischen mehr als ein Volkssport – sie waren zu einer nationalen Besessenheit geworden. Diese Spekulanten wurden von Profis wie Livermore spöttisch als »kleine Fische« bezeichnet. Aber während sich die Blase fortsetzte, verdienten die am schlechtesten informierten Leute das meiste Geld. Die New York Times beschrieb es so: »Die alten Börsianer, die normalerweise rational am Markt agieren, sind hinter der Zeit zurückgeblieben und liegen falsch«, während »die neuen Spekulanten, die sich völlig auf ihre Ohren verlassen, Recht haben.«
    Die besessenste Stadt war New York, obwohl Detroit, die Heimat so vieler neuer »Motor-Millionäre« nur kurz dahinter folgte. Dann kamen zwei andere Städte mit neuem Geld, Miami und Palm Beach. Die Vernarrtheit in die Börse bestimmte das Leben in New York City und zog alles in ihren Schlund. Claud Cockburn, ein britischer Journalist, der vor Kurzem nach New York gekommen war, stellte fest: »Man konnte über die Prohibition reden, über Hemingway, über Klimaanlagen, über Musik oder über Pferde, aber am Ende musste man über die Aktienbörse reden, und erst dann wurde die Konversation ernsthaft.« Jeder der versuchte, die Realität dieses Gelobten Lands anzuzweifeln, wurde attackiert, als habe er Blasphemisches über einen religiösen Glauben oder die Liebe zur Heimat gesagt.
    Als immer mehr Menschen an die Börse drängten, wuchs die Zahl der Brokerbüros auf mehr als das Doppelte – von 700 Filialen 1925 auf über 1 600 im Jahr 1929. Im ganzen Land schossen sie wie Pilze aus dem Boden; auch in Orten wie Steubenville in Ohio, Independence in Kansas, Amarillo in Texas, Gastonia in North Carolina, Storm Lake in Iowa, Chickasha in Oklahoma und Shabbona in Illinois. Diese »Board Rooms« ersetzten die Bars, die wegen der Prohibition geschlossen waren – die gleichen Schwingtüren, verdunkelten Fenster und verräucherten Räume mit Mahagoniestühlen und voll mit allen möglichen, schwer zu beschreibenden Leuten aus sämtlichen Milieus, die herumsaßen und das Tickerband beobachteten, das über den großen Bildschirm an der Vorderseite des Büros flackerte. Der Heilige Gral war die Entdeckung der neuen General Motors, die in diesem Jahrzehnt auf das Zwanzigfache gestiegen war oder der nächsten RCA, deren Kurs sich versiebzigfacht hatte. Die Zeitungen waren voll mit Artikeln über Amateur-Investoren, die über Nacht ein Vermögen gemacht hatten.
    Die alten Börsianer an der Wall Street hatten die Regel, dass eine Hausse erst dann ihren vollen Schwung erreicht hatte, wenn sich »Schuhputzer, Dienstmädchen und kleine Angestellte daran beteiligten.« Im Frühjahr 1928 eröffneten die verschiedensten Menschen Brokerkonten – einem zeitgenössischen Bericht zufolge »Lehrer, Näherinnen, Friseure, Maschinenarbeiter, Krawattenverkäufer, Tankwarte, Automobilarbeiter, Köche und Lexikografen.« Bernard Baruch, der Aktienspekulant, der sich in ein ehrwürdiges Leben als Berater des Präsidenten zurückgezogen hatte, erinnerte sich: »Taxifahrer sagten einem, was man kaufen sollte. Der Schuhputzjunge konnte einem, während er mit Lappen und Politur arbeitete, eine Zusammenfassung der Finanznachrichten des Tages geben. Ein alter Bettler, der oft an meinem Büro vorbeikam, gab mir nun Aktientipps, und ich glaube, er gab das Geld, das ich und andere ihm zusteckten, an der Börse aus. Mein Koch hatte ein Brokerkonto.«
    Die Aktienempfehlungen der Schuhputzjungen wurden als Sinnbild der Exzesse dieser Zeit für immer unsterblich. Am berühmtesten wurde die Geschichte von Joseph Kennedy, der bereits einen großen Teil seines Depots verkauft hatte und im Juli 1929 beschloss, alle Aktien abzustoßen. Bei einem Gang durch die Wall Street sprach ihn ein besonders enthusiastischer Schuhputzer an und bestand darauf,

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