Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
und wurde als »der beste Finanzminister seit Alexander Hamilton« gepriesen. Er war trübsinnig und hager, und daher konnte man kaum glauben, dass er in einem Jahrzehnt derartigen ökonomischen Überschwangs Finanzminister gewesen war. In Wahrheit hatte er die meisten seiner persönlichen Errungenschaften glücklichen Umständen zu verdanken. 1921 hatte er eine Wirtschaft geerbt, die noch vom Boom während des Kriegs profitierte. Die Friedensdividende erlaubte ihm, die öffentlichen Ausgaben fast zu halbieren, gleichzeitig die Einkommensteuer zu senken und die Staatsverschuldung von 24 auf 16 Milliarden Dollar zu reduzieren. Im Bereich der internationalen Finanzen hatte er alle Währungsangelegenheiten Benjamin Strong überlassen. Obwohl er Mitglied des Federal Reserve Board war, hielt er sich in der Regel aus dessen Beratungen heraus. Die meisten Leistungen der Fed auf dem Gebiet der Geldpolitik waren Strongs Verdienst. Die Beiträge der USA zur Lösung der Reparationsprobleme waren größtenteils das Werk privater Geschäftsleute wie Dawes und Young. Mellon konnte von sich behaupten, eine entscheidende Rolle bei der Restrukturierung der Kriegsschulden der Alliierten gespielt zu haben. Aber der britische Teil dieser Einigung war ungewöhnlich harsch ausgefallen, und Großbritannien hatte ihn nur akzeptiert, weil es begierig darauf war, seinen Platz als Stütze des Goldstandards wieder einzunehmen. Und die Franzosen hatten die Übereinkunft über ihre Kriegsschulden noch immer nicht ratifiziert.
Der emotional verkrüppelte Mellon, der seit Langem von seiner Frau geschieden war und sich nun auch von seinen Kindern entfremdet hatte, schien seinen wichtigsten Trost darin zu finden, wie besessen Kunstwerke zu sammeln. Ende der 1920er-Jahre dominierte diese Leidenschaft sein Leben, und er kümmerte sich nicht mehr viel um seine Rolle als Finanzminister. Ein Beispiel: Als er eher zufällig mitten während der französischen Währungskrise in Paris auftauchte, wurde er vom verzweifelten Émile Moreau empfangen, dem es nicht entgehen konnte, dass Mellon während ihrer Diskussionen fast gelangweilt wirkte und »nur vor dem Fragonard«, der an einer Wand in Moreaus Büro hing, »gewisse Lebenszeichen zeigte.«
Später wurde Mellon beschuldigt, die Kurssteigerungen am Aktienmarkt wegen des primitiven Wunsches begünstigt zu haben, sein persönliches Vermögen zu mehren. Das ist unfair. Im privaten Kreis räumte er ein, dass sich die Aktien in einer Spekulationsblase befanden. Aber seine Erfahrung als einer der großen Finanziers des Landes hatte ihn davon überzeugt, dass die Fed oder jemand anderer nicht viel daran ändern konnte. Zu einem anderen Mitglied des Federal Reserve Board sagte er: »Wenn das amerikanische Volk seine Meinung ändert, wird diese spekulative Orgie aufhören. Aber vorher nicht.« Er war zu dem Schluss gekommen, es sei eine unmögliche Aufgabe, den Markt nach unten zu reden und er werde nur wie ein Narr aussehen, wenn er daran scheiterte. Daher wartete er ab, dass sich die Raserei legen würde und sagte dazu in der Öffentlichkeit so wenig wie möglich. Im März 1929 erklärte er, seiner Meinung nach sei dies ein guter Zeitpunkt für Investoren, um Anleihen zu kaufen. Aber das war eine derart verhaltene Aussage, dass die wenigen Leute, die überhaupt darauf achteten, sich über Mellons Mahnung lustig machten, die da lautete: »Gentlemen prefer bonds.«
Der unerschütterliche Gentleman auf dem Capitol Hill war nicht so zurückhaltend. Im Februar und im März 1928 gab es vor dem Senatskomitee für Bank- und Währungsangelegenheiten Anhörungen zu Brokerkrediten und vom März bis zum Mai führte das Gegenstück dieses Komitees im Repräsentantenhaus eigene Untersuchungen über Spekulationen am Aktienmarkt durch – ein Spektakel, das insgesamt sowohl peinlich als auch erbaulich war. Es war peinlich zu beobachten, wie die guten Senatoren sich damit herumschlugen, die Funktionsweise eines komplizierten Finanzsystems zu verstehen und den Experten, die als Zeugen auftraten, idiotische Fragen stellten. Aber da war auch etwas Bewundernswertes, denn sie gaben dem Zorn des Normalbürgers über die Absurditäten der Börse eine Stimme.
Der folgende Wortwechsel gibt die Qualität der Diskussion und die Stimmungslage im Kongress treffend wieder. Mitten während der Anhörungen hat Senator Earl Mayfield aus Texas plötzlich eine Eingebung: Warum sollte man nicht jeglichen Aktienhandel verbieten?
Senator Mayfield:
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