Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
in Berlin, in der Park Avenue in Manhattan und in der Avenue Victor Emmanuel III in Paris, wo er sich eine ganze Reihe von Geliebten hielt – ehemalige Tänzerinnen, Studentinnen, Verkäuferinnen und auch die eine oder andere Straßenhure, die er mit Geschenken verwöhnte.
Während Gulbenkian, der den Spitznamen »Mr. Fünf Prozent« trug, mit Ölförderrechten im Nahen Osten und Zaharoff mit Waffen handelte, stellte Kreuger nichts Großartigeres oder Bedrohlicheres her als einfache kleine Streichhölzer. Allerdings konnte er angesichts der Größe seines Reichs – er kontrollierte damals drei Viertel der weltweiten Streichholzproduktion – in New York zu günstigeren Bedingungen Kredite aufnehmen als die meisten europäischen Regierungen. Er ließ seine finanziellen Muskeln spielen, emittierte Anleihen an der Wall Street und verwendete die Erlöse dazu, die Finanzen der weniger kreditwürdigen Regierungen auf dem ganzen Globus aufzubessern, wofür er als Gegenleistung das Streichholzmonopol in den betreffenden Ländern erhielt. Er hatte solche Geschäfte bereits mit Polen, Peru, Griechenland, Ecuador, Ungarn, Estland, Jugoslawien, Rumänien und Lettland abgeschlossen. Für ein Quasi-Monopol in Frankreich hatte er sogar der französischen Regierung während der Stabilisierung des Franc 75 Millionen Dollar besorgt. Jetzt bot er der deutschen Regierung 145 Millionen Dollar an und verlangte als Gegenleistung ein völliges Importverbot für billige Streichhölzer aus Russland.
Als die Zinsen in den USA stiegen und New York wie ein Magnet Geld aus allen Ecken der Welt anzog, kämpfte jedes europäische Land außer Frankreich darum, dass seine Goldreserven nicht über den Atlantik entwischten. Die Zinsen, »sogar in Ländern, die Tausende Meilen von der Wall Street entfernt liegen«, wie Keynes es ausdrückte, stiegen steil nach oben, angetrieben vom Gerangel um Gold. Im Februar 1929 erhöhte die Bank of England ihre Zinsen um ein volles Prozent auf 5,5 Prozent, obwohl es mehr als 1,5 Millionen Arbeitslose im Land gab. Im März folgten Italien und die Niederlande. Deutschland steckte bereits tief in der Rezession, aber durch den Angriff auf seine Reserven während der Verhandlungen über den Young-Plan war es ebenfalls gezwungen, seine Zinsen auf 7,5 Prozent zu erhöhen. Österreich und Ungarn übertrafen die Reichsbank noch und setzten ihre Zinsen auf acht Prozent hoch. Im Juli folgte auch Belgien.
Angesichts der stetigen Erosion der Rohstoffpreise wirkten sich die Zinserhöhungen so aus, dass die realen Kosten des Geldes in manchen Ländern bei über zehn Prozent lagen, was zu den ersten Anzeichen eines weltweiten Wirtschaftsabschwungs führte. Das hatte 1928 bei den großen Rohstoffproduzenten Australien, Kanada und Argentinien begonnen. Anfang 1929 befanden sich auch Deutschland und Mitteleuropa in einer Rezession.
Derweil beachtete der amerikanische Aktienmarkt weder die steigenden Kosten des Geldes noch die ersten Zeichen des Abschwungs im Ausland. Im Juni brach er nach oben aus. Der Dow stieg weiter, als Berichte über außerordentlich hohe Unternehmensgewinne veröffentlicht wurden. Im Juni legte er um 34 Punkte und im Juli um weitere 16 Punkte zu.
Der Charakter der Börse war inzwischen fast völlig spekulativ geworden. Als das Börsenfieber stieg, konzentrierte sich das Geschehen immer stärker auf eine immer geringere Zahl von Aktien und wurde nicht mehr von den Unternehmen bestimmt, die beständig hohe Gewinne erzielten – die Generals Motors der Welt. Stattdessen konzentrierte es sich in hektischer Weise auf Glamour-Aktien – Montgomery Ward, General Electric und Radio Corporation of America, den strahlendsten Titel von allen. So geschah es, dass während die Indizes weiterhin rasant stiegen und ihre Hochs im September erreichten, die meisten Einzelaktien ihre Hochs schon Ende 1928 oder bestenfalls Anfang 1929 verzeichnet hatten. Tatsächlich gab es am 3. September 1929, als der Dow seinen Höchststand verzeichnete, nur bei 19 von den 826 an der New York Stock Exchange gelisteten Aktien ein Allzeithoch. Fast ein Drittel hatte im Vergleich zum Hoch mindestens 20 Prozent verloren.
In diesen Monaten verkauften die meisten großen Aktienhändler ihre Positionen. Die Aussagen der Spekulanten darüber, was sie 1929 taten und wann sie es taten, sind natürlich mit einer gewissen Vorsicht zu beurteilen. Die Menschen erzählen kaum die ganze Wahrheit, wenn es um ihre Errungenschaften in der Liebe oder am
Weitere Kostenlose Bücher