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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Depotbestände mit Verlust zu liquidieren, um seinen Margin-Anforderungen nachkommen zu können. Die Zinserhöhung zur Eindämmung des Aktienmarkts durch die Fed Anfang 1928 überraschte Keynes. Schließlich, so argumentierte er, waren die US-Preise stabil und es sei »nichts in Sicht, was man Inflation nennen könnte.« Im September 1928, als der Dow bei 240 Punkten stand, schickte er seinen Freunden eine kurze Notiz mit der Überschrift: »Gibt es in den USA Inflation?« Darin prognostizierte er: »Die Aktienkurse werden nicht stark einbrechen, [das heißt] … wenn der Markt keine wirtschaftliche Depression diskontiert«, die die Fed »mit allen Mitteln verhindern« werde.
    Sein großer Fehler war, dass er die deflationären Kräfte nicht berücksichtigte, die sich nun über die Welt auszubreiten begannen. Nach Strongs Tod im Oktober und dem Beginn der verbalen Fed-Kampagne gegen den Überschwang an der Börse wurde er langsam gewahr, dass sich das Risiko nun »auf die Seite der wirtschaftlichen Depression und der Deflation« verlagert hatte. Er gestand aber selbst ein, dass er sogar Anfang 1929 den Einfluss des Goldmangels auf die Zentralbanken noch nicht verstand. Er hatte angenommen, sie würden sich im Lauf der Zeit selbst von der Umklammerung dieses »barbarischen Relikts« befreien. Er scheiterte vollständig daran, das Gerangel um Gold vorherzusehen, das 1929 begann. »Ich hatte vergessen, dass Gold ein Fetisch ist«, gestand er.
    Der Preis für sein Spekulantentum war, dass alle diese Fehlkalkulationen stark an seinem Vermögen zehrten. Bis Mitte 1929 hatte er fast drei Viertel seines Geldes verloren. Ihn rettete nur, dass er einen großen Teil seines Aktiendepots verkaufen musste, um seine Margin-Anforderungen erfüllen zu können, und daher war er nur moderat an der Börse engagiert, als die Turbulenzen von 1929 begannen.
    Die Rolle der Kassandra wurde nun von Montagu Norman übernommen. Bei all den Pulverfässern in der Weltwirtschaft, die in diesem schicksalhaften Frühling und Sommer kurz vor der Detonation standen – Deutschland befand sich am Rand der Zahlungsunfähigkeit, es herrschte Mangel an Gold, die Rohstoffpreise fielen, an den amerikanischen Börsen herrschte der Irrsinn und das chronisch schwache Pfund Sterling wurde von der Banque de France in Geiselhaft gehalten –, konnte er kaum sagen, welches davon das explosivste war.
    Im April 1929, als die Verhandlungen in Paris einen toten Punkt erreicht hatten, schrieb Norman: »Man stelle sich vor, dass gleichzeitig eine Kommission in Paris eifrig das ganze Problem der deutschen Reparationen diskutiert, dass die Zinsen in New York gestern bei 20 Prozent standen, wo das Reservesystem nicht funktioniert und die Börse mit eigenem und fremden Geld Schindluder treibt, und dass im letzten Monat drei Zentralbanken in Europa ihre Zinsen erhöht haben – was vielleicht nur der Anfang war.« Es kam ihm so vor, als gehe die Welt schlafwandelnd auf einen Abgrund zu.
    Deutschland, das nun vom amerikanischen Markt abgeschnitten war, griff nach jeder Kreditquelle, derer es habhaft werden konnte. Im Mai 1929 erhielt der Schweizer Bankier Felix Somary, der von seinen amerikanischen Kollegen den Spitznamen »der Rabe von Zürich« erhalten hatte, weil er ständig »krähte«, ein Crash stehe bevor, einen hektischen Anruf des deutschen Finanzministers Rudolf Hilferding, der verzweifelt versuchte, sich 20 Millionen Dollar zu leihen, um die Angestellten des öffentlichen Dienstes bezahlen zu können. Somary flog nach Paris, um die nötigen Vereinbarungen mit Schacht abzuschließen. Wieder daheim berichtete er dem Präsidenten der Schweizer Nationalbank: »Fast alle großen Mächte verhandeln jetzt schon seit Monaten darüber, wie viele Milliarden bis 1966 und dann bis 1988 von einem Land bezahlt werden sollen, das am nächsten Tag nicht einmal die Gehälter seiner Beamten zahlen kann.«
    Deutschland steckte in solchen Schwierigkeiten, dass es sogar Kreditverhandlungen mit dem mysteriösen Ivar Kreuger begann. Kreuger war eine dieser fragwürdigen Gestalten wie Calouste Gulbenkian und Sir Basil Zaharoff, die in den Jahren zwischen den Kriegen über der europäischen Finanzszene schwebten und durch zweifelhafte Geschäften mit Regierungen ein Vermögen verdienten. Es hieß, Kreuger sei einige Hundert Millionen Dollar schwer. Er hatte sechs oder sieben Wohnsitze, darunter seine drei Sommervillen in Schweden, seine Privatsuite im Londoner Carlton Hotel, Appartements

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