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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Dezember aussagen. Als das Datum näher rückte, begannen seine Nervenleiden wieder, und zwei Tage vor dem festgelegten Termin erlitt er wie erwartet einen Zusammenbruch. Seine Ärzte empfahlen ihm eine kurze Auszeit, und Norman brach gehorsam für zwei Monate zu einer ausgedehnten Kreuzfahrt rund um das Mittelmeer auf, die in Ägypten endete.
    An Normans Stelle erschien der stellvertretende Präsident Sir Ernest Harvey. Sogar ohne ihren Chef waren die Grundsätze der Verschwiegenheit der Bank of England zu eingefleischt, um sie leichten Herzens aufgeben zu können. Beachten Sie diesen Wortwechsel zwischen Keynes und Harvey:
Keynes: »Ist es also, wenn ich die Fragen Professor Gregorys richtig verstehe, Praxis der Bank of England, ihre Politik niemals zu erklären?«
Harvey: »Nun, ich denke, es war schon immer unsere Praxis, dass unsere Handlungen unsere Politik erklären.«
Keynes: »Oder die Gründe ihrer Politik?«
Harvey: »Es ist eine gefährliche Sache, wenn man anfängt, Gründe zu nennen.«
Keynes: »Oder sich gegen Kritik zu verteidigen?«
Harvey: »Was Kritik anbelangt, so fürchte ich, obwohl das Komitee mir vielleicht nicht völlig zustimmen wird, dass wir nicht eingestehen, uns verteidigen zu müssen. Wenn wir uns verteidigen würden, dann wäre das ähnlich wie wenn eine Dame anfinge, ihre Tugend zu verteidigen.«
    Norman kam schließlich im Februar 1930 nach England zurück und erklärte sich bereit, vor dem Komitee auszusagen. Er war kein guter Zeuge. Privat war er witzig und beredsam, aber in der Öffentlichkeit wurde er missmutig und defensiv. Er beantwortete die Fragen, die aus Respekt vor seiner Position niemals aggressiv waren, mit knappen Sätzen und manchmal nur mit einsilbigen Worten. Da er nicht gewohnt war, seine Denkprozesse zu artikulieren oder sich zu rechtfertigen, sagte er Dinge, die er nicht so meinte oder unmöglich glauben konnte. Einmal bestand er darauf, es gebe keinen Zusammenhang zwischen den Kreditmaßnahmen der Bank und dem Niveau der Arbeitslosigkeit. Er schien der Not der Arbeitslosen kaltherzig und gleichgültig gegenüberzustehen und bestätigte so das verbreitete Stereotyp des Bankiers unter den Sozialisten in der neuen Regierung und den Wählern, die ihren ersten Eindruck von diesem Mann bekamen. Mit Keynes’ kalten und präzisen Fragen konfrontiert, schien Norman stumpfsinnig und langsam zu sein, und er flüchtete sich in Plattitüden.
    Als ihn der Vorsitzende schließlich nach den Gründen der Entscheidung für eine bestimmte Maßnahme fragte, sagte er zunächst gar nichts, sondern tippte lediglich dreimal mit dem Finger an seine Nase. Als er zu einer Antwort gedrängt wurde, sagte er: »Gründe, Herr Vorsitzender? Ich habe keine Gründe. Ich habe Instinkte.«
    Geduldig versuchte der Vorsitzende weiterzubohren: »Wir verstehen das natürlich, Herr Präsident, aber trotzdem müssen sie doch Gründe gehabt haben.«
    »Nun, wenn ich welche hatte, dann habe ich sie vergessen.«
    Keynes schrieb später, Norman sehe aus wie »ein Künstler, der in seinen Mantel gehüllt dasitzt, sagt ›Ich kann mich nicht erinnern‹ und auf diese Weise allen Fragen ausweicht.« Norman sagte nur zwei Tage lang aus – die höheren Beamten der Bank bemerkten, dass er mehr Schaden als Nutzen stiftete, und man übergab den Rest der Zeremonie wieder seinem Stellvertreter. Aber der Schaden für Normans Ansehen war schon entstanden. Später vertraute ein Bankier seinem Kollegen an, der Präsident werde »immer schrulliger, verrückter und widersprüchlicher.«
    18. Probleme mit dem Magnetzünder
    1930 bis 1931
    Bis zu welchen Extremen treibst du unsere Herzen,
du verfluchte Gier nach Gold?
    Vergil, Aeneis
    Im Dezember 1930 veröffentlichte Maynard Keynes einen Artikel mit der Überschrift »Die große Baisse von 1930«, in dem er schrieb, die Welt lebe »im Schatten einer der größten Wirtschaftskatastrophen der modernen Geschichte.« Im Jahr zuvor war die Industrieproduktion in den USA um 30 Prozent, in Deutschland um 25 Prozent und in Großbritannien um 20 Prozent gesunken. In den USA suchten über fünf Millionen Menschen nach Arbeit, in Deutschland waren es 4,5 Millionen und in Großbritannien zwei Millionen. Auf der ganzen Welt waren die Rohstoffpreise zusammengebrochen – die Notierungen für Kaffee, Baumwolle, Kautschuk und Weizen hatten seit dem Crash am Aktienmarkt um mehr als 50 Prozent nachgegeben. Drei der wichtigsten rohstoffproduzierenden Länder, Brasilien, Argentinien und

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